Obama-Show mit Musik und viel Gefühl

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat verbreitet in einem halbstündigen Werbespot seine Botschaft. Demgegenüber kennt McCain nur ein Thema: Obama. Souverän wirkt das nicht. Und Joe, der Klempner, wird zum Problem

AUS WASHINGTON BERND PICKERT

Mit einem 30-minütigen Werbespot, der am Mittwochabend zur besten Sendezeit gleichzeitig auf sieben Fernsehkanälen ausgestrahlt wurde – Kosten: rund vier Millionen US-Dollar – , hat der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama einen weiteren Großversuch gestartet, zweifelnde WählerInnen davon zu überzeugen, dass sie ihm und seinen Plänen vertrauen können. Der wie ein Dokumentarfilm aufgemachte Beitrag unter dem Titel „Barack Obama: American Stories“, entstanden unter Mitwirkung von Regisseur Davis Guggenheim, der auch Al Gores „Unconvenient Truth“ in Szene gesetzt hat, sieht Obama in zwei Rollen: als Erzähler, der tief in die Sorgen und Nöte der abrutschenden US-amerikanischen Mittelschicht eindringt, und als Star.

Vier Familien werden vorgestellt, zwei weiße, eine schwarze und eine, deren Nachname auf Latino-Herkunft schließen lässt. Alle leiden sie auf die eine oder andere Weise unter der Politik der Regierung Bush und der wirtschaftlichen Krise. Die Menschen, so die Botschaft, warten wie Millionen anderer US-AmerikanerInnen auf Lösungen, und mit wem die kommen, bleibt völlig unzweifelhaft.

In einem Raum, der schon sehr an das Oval Office im Weißen Haus erinnert, erklärt Obama mit wie immer ruhiger Stimme, was er zu tun vorhat. Seine Steuerpläne, die Gesundheitsreform, die Umgestaltung der Schulen, der Schwenk zu erneuerbarer Energie, die Rettung der Mittelklasse vor dem weiteren Absturz. Dazu viel Musik und Ergriffenheit über den historischen Moment. Wenn es irgend möglich ist, per TV-Spot positive Energie auszustrahlen, dann hat dieser Spot das versucht. Ganz am Schluss, aber immerhin deutlich genug, um nicht komplett überheblich zu wirken, sagt Obama: „Ich werde kein perfekter Präsident sein. Aber ich werde euch immer ehrlich sagen, wo ich stehe.“ Seinen Gegner John McCain erwähnt Obama nicht ein einziges Mal.

Eine halbe Stunde nach Ausstrahlung dieses Spots, der mit Livebildern einer riesigen Obama-Wahlveranstaltung in Florida endet, ist auch McCain zurück auf dem Bildschirm, interviewt vom CNN-Alttalker Larry King. Im Unterschied zum jungen, ruhigen, coolen, in die Zukunft schauenden Obama blinzelt McCain ständig und kennt nur ein Thema: Obama. Gemein ist der Konkurrent. Und gefährlich. Obama ist aus der öffentlichen Wahlkampffinanzierung ausgestiegen, obwohl er doch versprochen hat, das nicht zu machen. Jetzt hat er Millionen Dollar gesammelt, von denen „wir nichts über ihre Herkunft wissen“, sagt McCain mit verschwörerischer Miene, und wiederholt dann jenen Vorwurf, den seine Vizekandidatin Sarah Palin am gleichen Tag in den Wahlkampf eingebracht hat: Obama habe in der Vergangenheit beste Verbindungen zu einem Sprecher der palästinensischen PLO unterhalten, einer Terrororganisation. Das ist Unsinn, wie selbst CNN schnell nachrecherchiert. Aber es spricht Bände darüber, worin McCain, der in allen Umfragen so klar hinten liegt, dass er für den Sieg schon ein Wunder bräuchte, seine letzte Chance sieht: Angst. Souverän wirkt das nicht.

Für republikanisches Haareraufen sorgte am gleichen Tag der meist zitierte Handwerker der USA, Joe Wurzelbacher alias Joe, der Klempner. Jener also, der Anfang Oktober bei einem Wahlkampfstop Obamas den Kandidaten angesprochen und ihm vorgeworfen hatte, er würde mit seinen Steuerplänen verhindern, dass er, Wurzelbacher, den amerikanischen Traum verwirklichen und sein eigenes Unternehmen kaufen könne. Wurzelbacher, inzwischen aktiv an McCains Wahlkampf beteiligt, wurde vor laufender Kamera mit dem Argument konfrontiert, eine Stimme für Obama sei „eine Stimme für den Tod Israels“ – er stimmte zu. Das war selbst für den erzkonservativen Murdoch-Sender Fox zu viel. Moderator Shep Smith sah sich genötigt, klarzustellen, dass Obama stets die Freundschaft zu Israel als oberste Priorität formuliert habe. Er schloss mit den Worten: „Mann, also manchmal wird es wirklich furchterregend …“

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