Anschaffen fürs Stadtsäckel

Käufliche Liebe ist in Gelsenkirchen teurer als im übrigen Revier. Jetzt wollen Bordellbesitzer gegen die Sexsteuer klagen. Die Stadtverwaltung will auf die „Goldgrube“ allerdings nicht verzichten

VON MIRIAM BUNJES

Ungerecht behandelt fühlt sich Leonard Kasyc schon seit einem Jahr. Fast 1.600 Euro muss der Bordellbesitzer monatlich an die Stadt Gelsenkirchen zahlen – für jeden zehnten Quadratmeter 5,60 Euro. Die Sexsteuer geht auf die Dauer ganz schön ins Geld, findet Kasyc: „Wir müssen das zwangsläufig an die Kunden weitergeben. Für uns ist die Sexsteuer geschäftsschädigend.“

Für die Stadt Gelsenkirchen ist die Bordellabgabe dagegen eine „noch nicht einmal ganz ausgeschöpfte Goldgrube“. Denn viele Sexstätten nennen sich „Sauna-Club“ oder „Badeparadies“ und müssen erstmal von der Stadt beim Sexverkauf erwischt werden. Zur Zeit bringt die Sexsteuer der Stadt deswegen nur etwa 250.000 Euro im Jahr ein. „Aber wenn wir mit den laufenden Gerichtsverfahren gegen diverse Betreiber durch sind, wird sich diese Summe mindestens verdoppeln“, sagt Jürgen Lignau vom Steueramt.

In Köln klagt ein Bordellchef gegen die Vergnügungssteuer. Die schwarz-grün-regierte Stadt hatte zwar am Freitag die Vergnügungssteuer nach nur drei Wochen und einer Welle der Kritik wieder gekippt, die sogenannte Sex-Steuer soll aber weiterhin erhoben werden. Dennoch „stehen die Chancen für den Kläger gut“, sagt Sebastian Korts, Anwalt für Steuerrecht. „Die Steuer kommt einer zweiten Umsatzsteuer gleich. Das ist eine unangemessene Benachteiligung der Sexbetriebe.“

Wenn der Kölner vor Gericht Recht bekommt, hätte das auch Folgen für die Stadt Gelsenkirchen – und für Dorsten, wo ähnlich verfahren wird. „Dann klage ich natürlich auch sofort“, sagt Leonard Kasyc, der wie die meisten seiner Kollegen das Geschehen in der Domstadt gespannt verfolgt. In Köln gibt es die Vergnügungssteuer schließlich erst seit drei Wochen und dort sind die Bordellbetriebe größer und einflussreicher: „Ich verspreche mir viel von den Protestaktionen der Kollegen“, sagt Kasyc. „Hier haben alle nur gesagt, wir finden das ungerecht und dann stillschweigend gezahlt.“

Bordelle, Spielhallen, Pornokinos und Diskotheken müssen in Gelsenkirchen die Vergnügungssteuer zahlen – normale Kinos und Sportveranstalter nicht. „In dieser Steuer ist eine moralische Wertung enthalten“, sagt die Anwältin Anna Regener. „Und soweit ich weiß, haben Steuerämter keinen pädagogischen Auftrag.“ In Köln zieht man sich natürlich am meisten daran hoch, dass der Karneval als „Brauchtumspflege“ von der Steuer ausgenommen wurde.

Solche katholischen Seltsamkeiten gibt es in Gelsenkirchen nicht. Das Steueramt trennt trotzdem zwischen „wertvollen“ und „anderen“ Vergnügungen. Eine Besteuerung der Fussballweltmeisterschaft 2006 beispielsweise wird bislang nicht diskutiert. „Bislang nicht“, betont Lignau vom Steueramt. Er fürchtet die Kölner Klagenflut nicht: „Die Erhebung der Vergnügungssteuer wurde 2003 komplett ins Ermessen der Städte gestellt“, sagt er. Bislang hat sich noch kein Gericht mit den wettbewerbsrechtlichen Folgen der Vergnügungssteuer befasst.