fußpflege unter der grasnarbe
: Fett, krank, blau

Ich gehe nicht mehr zu Vorbereitungsspielen. Weder im Sommer noch im Winter. Damit bin ich durch. Ich will sie nicht mehr sehen und ich kann sie nicht mehr sehen. Vor allem die Standortbestimmung zum Beginn der Rückrunde kann man sich schenken. Standortbestimmung, wie das schon klingt. Als wolle der Hamburger Senat oder die Bezirksregierung Osnabrück ausloten, inwieweit das „Lokale Marketingkonzept Marktplatz“ dazu geführt hat, die Taubenkotmenge am Würstlstand zu reduzieren.

Dabei gab es einmal Zeiten, da war das ganz anders. Da ist man zum FC St. Pauli gegangen und hat sich das Match gegen Schalke 04 angeschaut. Ein magerer 1:0-Sieg im zu einem Drittel gefüllten Stadion, vom „Erkenntnisgewinn her“, von dem in solchen Fällen ja immer schwadroniert wird, eher mager. Erstaunlich nur, dass diese paar Leute sich tatsächlich durchsetzen konnten. Das Tor erzielte Markus Marin, die Vorlage besorgte ein Testspieler namens Daniel Franco mit einem sehenswerten Seitfallzieher. „Kaufen, kaufen, kaufen“, brüllte die reduzierte Fansoße nach diesem Kabinettstückchen.

Manager Helmut Schulte erhörte die Rufe des Volkes. Franco erwies sich in der Folge als typischer St.-Pauli-Brasilianer: Er konnte nicht kicken. Manch einer der Schreihälse wird sich in der nachfolgenden Saison verflucht haben, weil er auf diesen Klappskalli hereingefallen ist. Anstatt sich im geeigneten Moment endlich die Zunge abzubeißen. Das zeigt einerseits, wie viel wir Zuschauer tatsächlich vom Fußball verstehen, wirft andererseits aber auch ein bezeichnendes Licht auf den Verein. Die Gold-Glanz-Korrelation wurde trefflich bestätigt, die Verantwortlichen fallen drauf rein.

Das war wenigstens im Sommer, und es war leidlich warm. Im Winter aber ist es wirklich schlimm. Frierend steht man am Absperrgitter, schaut meist trostlosem Gekicke zu und langweilt sich prächtig. Weil man vorher nicht zum Essen gekommen ist, schiebt man sich drei in ranzigem Öl gebratene Bindehautgewebewürste in den Mund und trinkt dazu gegen die Kälte lauwarmen Glühwein, Marke „Nürnberger Sodbrandmarkt“, in rauhen Mengen und aller dem Anlass entsprechenden Würdelosigkeit. Die Konsequenz ist klar: Von Saisonvorbereitungsspielen im Winter wird man fett, krank, blau.

Wer mir nicht glaubt, soll morgen zum Sportplatz Rabenstein fahren. Zum 100-jährigen Bestehen des Harburger SC – Tabellen-Zweiter der Landesliga – kämpfen die wackeren Amateure ab 19 Uhr auf leicht angefrorenem Platz gegen den FC St. Pauli. Dort kann man sich davon überzeugen, dass alles genau so kommen wird. Als „zusätzliches Highlight“ vermeldet mir die Ankündigung: „Unter allen Zuschauern sowie im Ergebnistippspiel werden div. Preise, Einkaufsgutscheine und 2 Dauerkarten für die Rückserienspiele des FC St. Pauli verlost.“ Viel Glück und herzlichen Glückwunsch. Ich kann leider nicht kommen.