Venezianische Irrungen

Jahrmarktszauber weht mit Carlo Goldonis Klassiker „Der Diener zweier Herren“ über die Bühne der Kammerspiele

Wild zugeschlagene Türen, vertauschte Briefe, ein überarbeiteter Diener: Truffaldino aus Bergamo, chronisch unterbezahlt im Dienst an seinem Herren und zudem ewig hungrig, tritt in den Dienst eines zweiten Brotgebers. Seine eigene Interpretation von „Rationalisierung des Dienstleistungsgewerbes“ in der Fassung von Michael Bogdanov.

Zurückgekehrt nach Hamburg, inszeniert dieser den Klassiker des venezianischen Lustspieldichters Goldoni (1707-1793), der in Italien für die Charakter- und Sittenkomödie nach Molière‘schem Vorbild eintrat und den Figuren der Commedia dell‘ arte ein psychologisches Profil verpasste. Goldoni gilt als Reformator dieser Theaterform, die ursprünglich auf Improvisation und Dominanz des Sinnlichen der Szene setzte und den Konterpart zum akademischen Texttheater bildete.

Originell war weniger ihr Stoff, als die Variation eines festen Arsenals an Figuren und Typen, allen voran natürlich die virtuose Inszenierung der Hauptfigur des charmant-naiven und lebenslustigen Arlecchino in jedem neuerlichen Bühnenspektakel. Der Diener zweier Herren reduziert nun das maskenhafte dieser Form und entdeckt die „Seele“ der beschriebenen Figuren.

Bogdanov greift auf diesen ersten (1754) schriftlich fixierten Text der Commedia dell‘ arte zurück und setzt auf den schnellen Wortwitz und die virtuosen Sprachspiele dieser theatralen Form. Sein Truffaldino (Albert Kitzl) brilliert mit unnachahmlicher Mimik wahrlich in einem Wirrwarr aus Verwechslungsmanövern und Missverständnissen, deren Bewältigung seinen vollen körperlichen und geistigen Einsatz erfordert. Dabei kommt es schon mal zu deftigem Gepansche in einer Eisbombe samt Salatgarnitur bei der Bewirtung zweier hungriger Herren, zu einem fingierten Bühnenunfall mit Hamburger Polizeiauftritt und sogar zu Anspielungen auf die theatralen Eskapaden eines Schill und eines Beust in der Hansestadt.

Bogdanov nutzt sichtlich die Vitalität, Spontaneität und Offenheit dieser „urtheatralischsten“ aller Komödienformen, um ein Feuerwerk an Pointen abfackeln zu lassen. Gegen Ende der Inszenierung kommt es jedoch gehäuft zu wilder Theatralik mit übertriebener Geste und lautem Geschrei. Ein wenig Schade, denn die dramaturgischen Fäden um eine verwickelte Liebeshandlung wären auch leiser wunderbar unterhaltsam zusammengewachsen. Stefanie Maeck