Kein Fall für die Geriatrie

Was nach 25 Jahren Galeristentätigkeit noch Bestand habe, fragt Katrin Rabus – und antwortet sich mit einer Synopse von Edgar Hofschens Modifikationen selbst

Wo kein Herr, da kein Knecht: Vordergrund und Hintergrund bleiben im Gespräch

Die Gefahr ist natürlich, dass das alles bloß noch als gediegene, olivgraugrüne Dekoration gesehen wird: Den Generations- und Wahrnehmungswandel spricht Katrin Rabus an, als sie ihre Edgar Hofschen-Ausstellung eröffnet. Diese sei auch eine bewusste Rückkehr zu den Anfängen ihrer Galeristentätigkeit. „Was hat nach 25 Jahren noch Bestand“, habe sie sich gefragt.

Eine Antwort ist diese Schau, monografisch, fast lückenlos: Das älteste Werk – „Modifikation“, Terpentin, Zeltleinwand – stammt von 1971, das jüngste – „Modifikation“, Öl auf Leinwand – von 2002. Gerade dieser Maler – geboren 1941 in Tapiau – habe sie 25 Jahre lang beschäftigt, so Rabus, sie stets in Aufregung gehalten. Nur warum?

So politisch gemeint die Gegenstandslosigkeit der 60er- und 70er-Jahre gewesen sein mag, so radikal man sie empfunden haben muss, und so verstörend: Jetzt ist sie alt geworden, weise und mild. Und wirkt erst einmal – die Arbeiten der 80er-Jahre, oft von sattem Rot geprägt, fehlen in der Galerie – vor allem tauben- oder olivgrünlichgrau: Vielleicht wäre es sinnvoll, Hofschens Palette mit der von Lovis Corinth zu vergleichen, der aus demselben Städtchen stammt. Kaum anschlussfähiger jedenfalls sind, wenn nicht längst völlig unverständlich, die vergessenen Graben- und Grubenkämpfe der Fraktionen und Fraktiönchen jener Szene: Worin gleich noch bestand Hofschens Opposition zur Gruppe Zero? Und was eigentlich wollte die genau?

Nein, einen Schock erzeugt diese Malerei nicht mehr. Und vielleicht ist das der historische Moment, an dem sich die Zukunft jedes einzelnen ihrer Vertreter ablesen lässt. Manche, wie Gotthard Graubner, dämmern selig dahin im Nirwana der Farbe. Andere, Gerhard Merz zum Beispiel, profitieren sehr bewusst vom gesunkenen Erregungswert ihrer Arbeiten. Bereitwillig verzieren sie repräsentative Foyers – ob von Ministerien oder von Autoverkaufs-Zentren – mit monochromen Tafeln je nach Innendesignkonzept. Hauptsache die Rente ist sicher.

Und Hofschen? Pädagogik hat er auch studiert: Sachlich erklärt er seine Bilder. Wie gesetzte Randmarkierungen das Spiel des Gegenläufigen auf der Fläche bestimmen, wie das wiederum sich in einem trennend-verbindenden „Zwischen“ begegnet, „in dem alles möglich“ ist. Und dass sich das ebenso in die Tiefe gedacht, ereignet.

Das ist eine Besonderheit von Hofschen: „Das Bild“, so hat das Bazon Brock schon früh beschrieben, „entsteht durch das Sichtbarmachen des Unterscheidens verschiedener Entwicklungsstufen des Bildes selber.“ Deshalb heißt’s ja auch Modifikation. Das Material spielt dabei eine eigenständige Rolle – ganz früher, zu Vietnamkriegszeiten, hat Hofschen gebrauchte Zelte der US-Army lediglich in Terpentin getränkt: gerahmte Readymades. Später hebt er mitunter mit rückseitig aufgetragenem Holzleim Unebenheiten und Nähte der groben Leinwände hervor. Und die Pigmentschichten sind, egal wie zahlreich, doch stets alle erkennbar – transparent, oder durch Schabungen freigelegt, bis hin auf die erste. Kein herrischer Vordergrund, der die Grundierung knechtet: Sie bleiben miteinander ewig im Gespräch. Eine erzromantische Vorstellung.

Auch das ist nicht mehr so sexy wie einst. Aber für die Kunst – sprich: ihre Wahrnehmung – zahlt sich genau dieser Reiz-Verlust aus. Weil hier noch etwas zu fragen bleibt; weil es etwas zum Verstehen gibt; weil Hofschen immer, während er tastend seine abstrakten Ordnungsgefüge ausbaut, auch zurück blickt. Man könne, sagt er, den Beginn seiner Malerei in obsessiver und strafarbeitenträchtiger Schulheft-Ornamentik suchen. Ist das sein Ernst? Jedenfalls entspringe sie „nicht nur meinem Kopf. Der Ausgangspunkt ist, was ich erlebt habe.“ Benno Schirrmeister

Galerie Rabus, Plantage 13