Bonjour, Freiwilliges Soziales Jahr

Wer ersetzt die Zivis, wenn es mit der Wehrpflicht in Deutschland – und damit auch mit dem Ersatzdienst – vorbei ist?

Während der Zivildienst gemeinhin bei vielen Jugendlichen breite Akzeptanz gefunden hat, ist das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) noch längst nicht populär. Torsten Schramm, Geschäftsführer des Internationalen Jugendgemeinschaftsdienstes (IJGD), der das FSJ für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin mitorganisiert, nennt dafür zwei Gründe: Das Freiwillige Jahr ist „einfach noch viel zu wenig bekannt“, meint er. Hinzu komme, dass, verglichen mit den Kosten für Zivis, die FSJler für die Einrichtungen „einfach zu teuer sind“.„Wir könnten in Deutschland mehr Freiwillige beschäftigen, wenn sie nicht so teuer wären“, sagt Schramm und erläutert: Für die Freiwilligen müsse der Arbeitgeber gesetzlich vorgeschriebene Seminare und die Sozialversicherung tragen. Während Bund und Länder die Kosten der Freiwilligen mit zehn Prozent subventionieren, übernimmt der Staat für die Zivis 40 Prozent der Kosten. Obwohl die FSJler für ihre Arbeit nur ein Taschengeld erhalten, kosten sie die Arbeitgeber monatlich etwa 100 Euro mehr als Zivis, rechnet Schramm vor. Insbesondere in Berlin sind FSJler noch teurer, hier hat sich das Land schon 1997 aus der Finanzierung zurückgezogen.

Rund 800 Millionen Euro wird der Staat in diesem Jahr für den Zivildienst berappen. „Geld, das in Zukunft dazu genutzt werden könnte, mehr Stellen für Freiwillige zu schaffen“, schlägt Schramm einen Weg aus dem Dilemma vor. Finanziell attraktiver wird das Freiwillige Jahr dadurch kaum werden, meinen Kritiker. Als weiterer Anreiz ist daher ein Bonus bei der Studienplatzvergabe im Gespräch. Auch Arbeitgeber, so die Forderung, sollten das soziale Engagement von BewerberInnen bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen honorieren.

„Wir müssen den Bürgern deutlicher machen, welche sozialen Probleme es gibt“, rät Oswald Menninger, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Gemeint ist auch eine simple Rechnung:Stehen ab 2008 nämlich nicht genügend kostengünstige FSJler zur Verfügung, müssten in sozialen Einrichtungen zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Da dies nicht zu finanzieren sein wird, so das Fazit, müssten Leistungen gestrichen werden.

Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) will daher das Freiwillige Jahr ausbauen. Die zusätzlichen Belastungen ließen sich auffangen, ist die Senatorin überzeugt, wenn man das FSJ ausbaue. Gerade Berlin müsse sich aber bei der Finanzierung des Freiwilligen Jahres noch etwas überlegen. Auch für die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg, Susanne Kahl-Passoth, ist der geplante Wegfall des Zivildienstes „keine Katastrophe“. Vielmehr müsse dies auch „als Chance“ begriffen werden, die soziale Arbeit neu zu gestalten, so Kahl-Passoth. Auch sie fordert, das Freiwillige Jahr attraktiver zu machen. Allerdings, warnt sie, dürfe dies nicht zur „schleichenden Einführung eines neuen Billiglohnsektors missbraucht werden“.  MAREN BEKKER