Kiefer hofft down under auf den Knall

Der 26-Jährige will in Australien erreichen, was Rainer Schüttler im Vorjahr gelungen ist: eine Überraschung

MELBOURNE taz ■ Federnden Schrittes spazierte Nicolas Kiefer durch die Katakomben der Rod Laver Arena, grüßte hier und da, blieb dann stehen und versicherte lächelnd, es gehe ihm prima. „Alles bestens. Ich hab gut gearbeitet und bin optimistisch.“ Weiteres zum Thema und zu den Fragen, ob Kiefers Spiel zu Beginn des Jahres seinem Charme der ersten Tage entspricht und ob der Mann noch mal die Kurve kriegt in einer bekannt wechselvollen Karriere: nach der Partie der ersten Runde der Australian Open am Dienstag gegen den Italiener Filippo Volandri.

Patrik Kühnen, Davis-Cup-Chef des Deutschen Tennis Bundes und langjähriger Kenner des Kandidaten K., meint, es könne selbst in diesem schwierigen Fall jederzeit noch was passieren, zumal Kiefer in den vergangenen Wochen mit dem neuen schwedischen Trainer Thomas Hogstedt hart trainiert habe. „Das sind Nuancen, die ausschlaggebend sind für Erfolg oder Misserfolg. Nicolas braucht einfach mal eine Initialzündung, wie sie Rainer Schüttler zum Beispiel hier vor einem Jahr erlebt hat.“

Bekanntlich führte Schüttlers Weg nach dem überraschenden Einzug ins Finale in Melbourne gegen Andre Agassi im weiteren Verlauf sehr direkt und steil zu ungeahnten Höhen: auf Platz sechs der Weltrangliste und ins Halbfinale des Masters Cups der besten acht in Houston im November. Aber wie viele vor ihm, die sich zum ersten Mal für das große Turnier am Ende des Tennisjahres qualifiziert haben, hat Schüttler in den vergangenen Wochen festgestellt, dass die Zeit zur Vorbereitung auf die neue Saison für einen Mastersspieler gute zwei Wochen kürzer ist und dass diese zwei Wochen irgendwie fehlen.

Weniger, wenn es um die Fitness geht, denn die dazu gehörenden Einheiten hat Schüttler im Dezember allesamt zur eigenen Zufriedenheit erledigt. Er sagt aber, im Gegensatz zu all den Jahren vorher habe er in der Vorbereitung einfach weniger Tennis gespielt und deshalb fehle ihm vielleicht ein wenig Sicherheit. Seit 1999 spielt er mit wachsendem Vergnügen bei den Australian Open, viermal in diesen fünf Jahren war er mit der Bestätigung diverser Siege bei den ersten Turnieren des Jahres nach Melbourne geflogen, diesmal aber musste er sich zurechtfinden in einer ungewohnten Situation.

Nach den Niederlagen in der ersten Runde beim Turnier in Doha gegen Michail Juschni und in Sydney in der vergangenen Woche gegen den eher unbekannten Schweden Joachim Johansson fehlte eine gewohnte Form von Bestätigung, und das machte die Aufgabe in der ersten Runde gegen den talentierten, 19 Jahre alten Schweden Robin Soderling in der Nacht zum heutigen Montag (MEZ) nicht einfacher.

Obwohl das Ganze mit einer gewissen Ehre und Verpflichtung verbunden war, denn es war das Eröffnungsspiel der Australian Open 2004 in der Rod Laver Arena. Sicher ein besonderes Erlebnis, wie Schüttler vor der Partie versicherte, wenn auch mit ungewöhnlichen Begleiterscheinungen am Wettschalter. Am Tag vor dem ersten Spiel des Turniers hatten die Buchmacher ihr Vertrauen mit einer Quote von 4,5:1 vor allem für Andre Agassi signalisiert, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass der Titelverteidiger seit 1999 in Melbourne kein Spiel verloren und drei Titel gewonnen hat (zur größten Favoritin erklärten sie die Belgierin Justine Henin-Hardenne mit 2,3, gefolgt von Venus Williams/2,85 beim ersten Auftritt seit dem Finale in Wimbledon 2003).

Aber mit dem ungewöhnlich hohen Wert von 41:1 für Schüttler zeigten die Buchmacher wenig Zuversicht, dass Deutschlands Nummer eins ein ähnlicher Coup wie im vergangenen Jahr gelingen könnte. Eine Quote für Nicolas Kiefer hatten sie bis zum ersten Spiel noch nicht im Angebot. Aber das kann sich jederzeit ändern; den Knall einer Initialzündung überhören die aufmerksamen Herren im Wettbüro normalerweise nicht.

DORIS HENKEL