Im Café „Zur guten Zeit“

Längst zu stilbildenden Instanzen des Westcoast-Underground geworden: Die manchmal geradezu sakral unterhaltsamen „Jurassic 5“ im Schlachthof

South Central, Los Angeles: Für wenige Gegenden dieser Welt ist schneller die Identifikation mit Bandenkriegen gezückt. Seit Produzent Dr. Dre mit seinen Schützlingen die Ikonographie des Westküsten-Rap prägt, ungefähr seit Beginn der 90er Jahre also, zeichnet South Central als Synonym für Gewalt Schwarzer gegen Schwarzer und Schwarzer gegen Latinos, Gewehre im Anschlag, gefährlich teure Autos und Frauenverachtung inklusive.

Dieses grelle Bild verdeckt eine beinah ebenso lang andauernde Geschichte. Denn auch das Good Life Café stand in jenen frühen Neunzigern in South Central L. A. Dort trafen sich die damals noch ganz jungen Mitglieder von Jurassic 5 und hörten Freestyle Fellowship mit deren hirnerweichenden Stehgreif-Raps. Diese inspirierten eine ganze Riege Rapper, die sich von den Wort- und Themenstandards von Dre, Snoop Dogg, Warren G. nicht formatieren lassen wollten; Crews wie Souls of Mischief oder Dilated Peoples, die sich zu Instanzen der Westcoast entwickelt haben. Mit Jurassic 5 meinten es Zufälle, Industrie und Publikum sogar besser als mit ihren großen Vorbildern. Denn besagte Freestyle Fellowship blieben immer Expertisen-Label, Jurassic 5 aber verkaufen mittlerweile richtig Platten, weltweit.

Hervorgegangen ist das Sextett 1993 aus einem spontanen Co-Auftritt der Gruppen Rebels Of Rhythm und Unity Comittee. Man verstand sich so gut, dass man fortan gemeinsame Sache machte. Noch heute verrät die Zusammensetzung jene Dopplung: Vier MCs rappen, zwei DJs liefern die Sounds. Dieses Gefüge bleibt auch auf der aktuellen LP ehrwürdigen Old-School-Werten verhaftet, ohne an entsprechenden Attitüden zu kleben.

Power In Numbers unterhält, und das durch Vielseitigkeit, Interaktion, Witz und Ernst. „What‘s Golden“ etwa gehört mit unvergesslicher Orgel-Hookline und Mitsing-Refrain derzeit zu den Knallern in den Clubs. Mit der Popsängerin Nelly Furtado duettiert man für „Thin Line“, während mit „Acetate Prophets“ eine kleine Plattenspieler-Symphonie das Album beschließt. Hier dürfen sich dann die DJs Nu-Mark und Cut Chemist völlig austoben, verfremden Samba, schneiden Windschläuche über Percussions, scratchen bis zum Überraschungsbreak, um das Geschehen schließlich mit ein paar Kalimbas zu beenden.

Wirkliche Superlative kommen spätestens immer dann ins Spiel, wenn es um die Live-Shows von Jurassic 5 geht. Da ist von „Energie“ die Rede, von „Rocken“ und derlei. Und sogar Buck 65, ein gestandener MC und bis vor kurzem bei der Bay-Area-Underground-Posse Anticon, sagt: „Es ist, wie in die Kirche zu gehen.“

Christoph Braun

mit DJ Format: Sonntag, 21 Uhr, Schlachthof