Menschen am Projektor

Ergebnisse jahrelangen Herumstreifens in der Hamburger Kinolandschaft: Carsten Knoops lustige Dokumentation „Der Vorführ-Effekt“ startet heute bundesweit in den Kinos

Nebenbei wird bewiesen, dass alle geschlechtsspezifischen Eignungsthesen Humbug sind

von JAN DISTELMEYER

„So ist das leider: Die Arbeit eines Filmvorführers ist erst dann präzise, wenn sie vom Publikum gar nicht bemerkt wird.“ Indem Carsten Knoop diesen Satz in seine eigene Kamera sagt, ist das Dilemma auch schon für einen Moment aufgelöst. Als Filmvorführer, Filmemacher und Mitglied des Abbildungszentrum Hamburg hat er seinen 55-minütigen Dokumentarfilm Der Vorführ-Effekt den Menschen am Projektor gewidmet – kein Porträt freilich, sondern, Projektoren müssen laufen, mehr eine bewegte Entdeckungsreise.

Aus der notwendigen Dunkelheit und Stille werden „die Projektionisten“, ihre Vorführapparate und beider Lebensläufe ins Licht gerückt, so dass Menschen und Maschinen ihre Geschichten selbst erzählen können; die einen mit Anekdoten und Rückblicken, die anderen mit Filmausschnitten, in denen Vorführräume zu Spielorten wurden. Mit und neben Szenen aus alten Wochenschauen, aus Filmen wie Fight Club, Im Laufe der Zeit, The Last Action Hero, Cinema Paradiso oder Der Blob, werden Projektionisten zu Stars: „Der Filmvorführer“, erzählt einer ihrer Altmeister, „war damals sehr begehrt. Ich habe das irgendwann schon einmal gesagt und dazu stehe ich auch heute noch: Dem Filmvorführer damals, vom Ansehen und vom Image her, kann der heutige Flugzeugkapitän nicht das Wasser reichen!“

Gerade weil die Projektion den Moment bedeutet, in dem Film und Publikum zusammenkommen, in dem sich Herstellung und Vorstellung treffen und bisweilen – wie Michael Erfurt aus dem Abaton berichtet – in private Katastrophen im Vorführraum ausarten, kann Der Vorführ-Effekt aus einem riesigen Reservoir an Bildern und Geschichten schöpfen. Von der Eröffnung der ersten „Höheren Fachschule für Filmvorführer“ in Eich bei Worms zu Frankensteins Monster jagen Godzillas Sohn ist es nur ein Katzensprung, genauso wie vom entmenschten Projektoren-Wettrennen bis zur materialistischen Analyse des Siegeszugs der Multiplexe.

Carsten Knoop selbst ist stets sichtbarer Teil seines Belichtungs-Projekts, das von der Hamburger Kurzfilm-Agentur als Herzstück eines abendfüllenden Kurzfilmprogramms angeboten wird und heute mit fünf Kopien bundesweit startet. Er stöbert auf, sucht und führt (Selbst-)Gespräche, tritt dank Bluescreen in historische Dokumente ein und filmt sich als Filmemacher und Vorführer höchstselbst beim Filmemachen und Vorführen. Vom Anfang bis zum Ende und auf allen Ebenen bleibt Der Vorführ-Effekt dadurch eine zutiefst persönliche Erzählung von Filmgeschichte(n). Und ganz nebenbei wird auch noch bewiesen, dass alle geschlechtsspezifischen Eignungsthesen – „der reine Vorführungsvorgang, das behutsame Umgehen, das pflegliche Umgehen, das Schonen der Maschinen, das kann eine Frau sehr gut ... nur wenn der Projektor mault, dann ist eine Frau über“ – Humbug sind.

Auf diesem Weg zur Ehrenrettung des Filmvorführens wirken Carsten Knoops freie Spielereien manchmal wie ein anarchisch angeeigneter Aufklärungsfilm aus der Sendung mit der Maus oder Peter Lustigs Löwenzahn. Ein Projektor wird in null Komma nichts erklärt und der Vorführ-Effekt-Vorführer mittenmang zum Abschalten seiner Maschine angehalten. Sollbruchstelle Vorführraum: Lach- und Sachgeschichten grüßen aus einer offensiv unsichtbaren Welt.

Das Kurzfilmprogramm mit Der Vorführ-Effekt ist in Hamburg derzeit nicht zu sehen; ab 10. April im Koralle-Kino