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: Kein Grund zur Solidarität

Ob Amerikaner oder Iraker, ob Soldaten, Polizisten oder Zivilisten – den Bombenlegern im Irak sind ihre Opfer egal. Ihre Anschläge treffen jeden, der sich in die Nähe der Besatzer begibt – sei es nun politisch oder rein räumlich wie die Zivilisten, die gestern vor dem ehemaligen Präsidentenpalast in Bagdad auf der Suche nach Jobs anstanden.

KOMMENTAR VON INGA ROGG

Der Palast, in dem die US-Zivilverwaltung untergebracht ist, liegt in der so genannten „grünen Zone“ – und damit auf dem am besten gesicherten Gelände im Land. Damit ist auch die erste Botschaft der Attentäter klar: Wenn sogar hier der Schutz versagt, dann gibt es gar keine Sicherheit im Zweistromland.

Zudem war das gestrige Attentat das schwerste seit dem Anschlag auf das UN-Hauptquartier am 19. August. Hier liegt die zweite Botschaft der Täter: Am Montag wollen sich US-Zivilverwalter Paul Bremer und Mitglieder des irakischen Regierungsrats mit UN-Generalsekretär Kofi Annan treffen und für eine Rückkehr der Vereinten Nationen in den Irak werben. In Washington hat man erkannt, dass die UN für die politische Neugestaltung des Landes gebraucht wird. Bisher haben sich die ethnischen, religiösen und politischen Gruppen im Irak mit erstaunlicher Eintracht bemüht, die Gräben zu überwinden. Jetzt aber, wo es um die Übernahme der Regierungsgewalt am 1. Juli geht, drohen Konflikte aufzubrechen.

Das geistliche Oberhaupt der Schiiten, Ajatollah Ali al-Sistani, fordert eine Direktwahl der Nationalversammlung. Die Kurden drängen auf die Verwirklichung ihrer Autonomie und lehnen – wie andere Minderheiten und Liberale – eine Wahl zum jetzigen Zeitpunkt ab. Indirekt hat Sistani mit einem schiitischen Aufstand gedroht, die Kurden mit einer Unabhängigkeitserklärung. Das Projekt Demokratie im Irak steht also auf der Kippe. Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation böte eine UN-Beteiligung – immerhin hat sich Sistani bereit erklärt, ihr Votum zu akzeptieren. Dazu sind direkte Gespräche nötig. Genau dies wollen die Bombenleger hintertreiben.

Wenn radikale Globalisierungskritiker wie Arundhati Roy jetzt auf dem Weltsozialforum in Bombay darüber sinnieren, dass ihre Bewegung Teil des „irakischen Widerstands“ werden müsse, dann zeigt das, wie weit entfernt sie von der Realität im Irak sind. Keine Frage, die Iraker wünschen sich und brauchen Solidarität. Den Schulterschluss mit Bombenlegern und Untergrundkämpfern aber brauchen sie sicher nicht.