Formschön gemixt

Verfallener Bombast und immaterielle Kunst: Die Anwärter auf den Kunstpreis der Böttcherstraße zeigen ihre Arbeiten in der Kunsthalle

Der Ewigkeitszug der Kunst ist abgefahren. Halb so wild, fällt auch kaum auf, fällt nur ins Auge, wenn man gerade im Museum steht – da, wo sonst die Beständigkeit zu Hause ist. Aber selbst im Museum bleibt nicht mal mehr der Rauch, sondern nur noch der Schall – als kleines Liedchen, gesungen von einer leibhaftigen Aufseherin: „This is propaganda, you know, you know“ ist der Text zur Melodie, danach museums-konform gesprochen: „Tino Sehgal, 2002, im Besitz des Künstlers“. Ein immaterielles Kunstwerk. Fotografieren der Aufseher-Sängerin verboten: Nichts soll von der Kunst bleiben, gar nichts. Gibt sowieso schon zuviel davon.

Was es umso spannender macht, auszuwählen und die Auswahl zu begutachten: Zehn Kuratoren und Kritiker aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich haben je einen förderungswürdigen (Nachwuchs-)Künstler benannt. Je eine Arbeit pro Künstler wird bis zum 13. April in der Bremer Kunsthalle präsentiert. Aus den zehn Arbeiten wird eine renommierte fünfköpfige Jury einen Preisträger auswählen, der am 30. März mit dem „Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen“ ausgezeichnet wird.

Verliehen wird der Kunstpreis alle zwei Jahre, dotiert ist er mit satten 15.000 Euro. Initiator ist der „Stifterkreis für den Kunstpreis der Böttcherstraße“, der sich1983 gründete, nachdem Ludwig Roselius HAG AG aus der Böttcherstraße GmbH ausstieg und damit der Financier des Preises wegfiel.

Aus der Konzeption des Preises ergibt sich in der Kunsthalle ein wilder, kurzweiliger Mix: Eine Banane hängt da von der Decke, formschön und erhaben ins Licht gesetzt durch einen Scheinwerfer – ein Mobile mit Schattenspiel, unbekümmert in die Kunsthalle installiert vom 29jährigen Urs Fischer.

Einen Raum weiter zeigen Wiebke Grösch und Frank Metzger auf Fotos, was aus den Olympiadörfern vergangener Jahre geworden ist: Eine dokumentarische Arbeit, in denen sich kulturelle und zeitpolitische Aspekte vermählen zu Bombast – Bombast, der verfallen ist oder sich entwickelt hat. In Sydney zum Beispiel zu einer bewachten Wohnanlagen-Community für Australier mit Abnabelungswunsch.

Ironischer Zitatpop trifft in der Kunsthalle auf ernsthafte (politische) Anliegen, sperrige Installationen finden sich neben großformatigen Fotos und durchkomponierter Malerei. Der Ewigkeitszug wird Schwierigkeiten haben, sich zu entscheiden, wohin die Reise geht. Klaus Irler

Bis zum 13. April in der Kunsthalle. Öffnungszeiten: Di 10-21 Uhr, Mi bis So 10-17 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Preisverleihung: 30. März um 11.30 Uhr in der Ausstellung