Ist halt Staatsbesuch

Schröder und Berlusconi treffen sich heute und morgen in Bremen – und der Innensenator darf sich freuen: Das Rathaus kommt im Fernsehen. So viel Werbung für die Möchtegern-Kulturhauptstadt war noch nie. So viel Polizei aber auch nicht

taz ■ „Idiotenkram.“ Mehr fällt dem Blumenhändler Harry Petrow nicht ein zu den Sicherheitsvorkehrungen wegen derdeutsch-italienischen Regierungskonsultationen. Weil die heute und morgen ausnahmsweise in Bremen stattfinden, geht ab morgen Mittag nichts mehr rund ums Rathaus – und Blumenhändler Petrow, der seit 1979 dort seinen Stand hat, muss sich verziehen.

Bremen probt den Ausnahmezustand: Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi trifft sich mit Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bremer Rathaus – um ein wenig zu plaudern, so unter Staatsmännern. Zum Beispiel über Berlusconis Brieffreunde in der Europäischen Union.

Erst ab 22 Uhr, wenn Berlusconi nach dem Schlemmen ins Parkhotel gekarrt wird, ist der Marktplatz wieder frei gegegeben, bevor dann morgen ab sechs der Spaß wieder von vorne beginnt. Tipp von Innensenator Kuno Böse: „Wer ein berechtigtes Interesse hat, etwa zum Arzt muss, der wird von der Polizei über den Marktplatz begleitet.“ Zu den Geschäften gegenüber der Bürgerschaft wird aber niemand geführt, die müssen ab 15 Uhr dicht machen. „Stocksauer“ ist die Tonkeller-Besitzerin Angelika Hess, und dem Apotheker Heinrich Real wurde deutlich gemacht, dass er nicht mit Entschädigungen für seinen Verdienstausfall rechnen brauche.

Auch Innensenator Kuno Böse (CDU) konnte gestern nicht sagen, wer den ganzen Spaß samt Polizeieinsatz bezahlen soll. Das werde sich schon finden, aber erst mal sei man gerne Gastgeber. Und Kulturhauptstadt-Anwärter. Der Kultursenator im Innensenator sieht schon die Fernsehbilder der wenigen historischen Kulturdenkmäler über die Bildschirme flimmern. Marktplatz, Schütting, Rathaus, Dom – und kein Passant verstellt die Sicht, nur Polizei und ein paar Scharfschützen.

Dabei solle die Stadt „quirlig und lebendig“ rüberkommen, wünscht sich Böse. Kein Problem, schließlich erwartet die Polizei Demonstranten aus der ganzen Republik. Ganz nah ran dürfen sie an den italienischen Ministerpräsidenten aber nicht, nur bis zum Neptunbrunnen auf dem Domshof. Dochdas sei immer noch nah genug, beruhigt Böse: „Die Demonstration kann auch im Rathaus akustisch wahrgenommen werden.“

Also alles abgesperrt, alle da: Bundeskriminalbeamte, Bundesgrenzschutz, 350 Pressefuzzis, die beiden Staatschefs und wenn nichts dazwischen kommt – wie zum Beispiel ein Angriff der USA auf Bagdad – auch Außenminister Joschka Fischer und sein italienischer Kollege.

Und damit den Konsultierenden auch nichts Schlimmeres passiert als ein Tomatenwurf aufs Jacket, ist eben ordentlich Polizei unterwegs. Unklar ist noch, ob die Sprengstoffsuchhunde auch im Schnoor oder an der Schlachte schnüffeln müssen. Bei gutem Wetter soll die Delegation noch durch die Innenstadt spazieren, aber wo die Route lang führt, das haben die Berliner noch nicht entschieden.

Die Ausflugsdampfer an der Schlachte würden bei Berlusconi vielleicht angenehme Erinnerungen wecken, schließlich hat er seine Karriere als Musikant auf einem Schiff begonnen.

Die Bremer haben bei all diesen Entscheidungen aber nichts zu melden, die fielen in Berlin, sagt Böse. Auch im Rathaus haben sich die Hauptstädter bereits breit gemacht, etwa 30 Angestellte mussten dafür am Dienstag ihre Zimmer räumen und auf ihre Telefone verzichten.

Auf allzu viele Landsmänner wird Berlusconi bei seinem Kurzbesuch wohl nicht treffen, auch nicht auf Luigi Controletti. Die Straßenbahn darf zwar über den Markt fahren – es sei denn Schröder und Berlusconi stehen da rum und bewundern die Rathausfassade – aber aussteigen darf nichts und niemand, auch nicht Luigi, auch nicht, wenn er gerade einen Schwarzfahrer am Wickel hat. Dabei hat der Medienunternehmer Berlusconi ein großes Herz für Spitzbuben. Die dürfen sich in Italien mittlerweile ihre Richter selbst aussuchen und auch Bilanzfälschung ist keine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit.

Trotzdem wird Berlusconi in Bremen als Staatsmann empfangen. Heute um 18 Uhr auf dem Flughafen. Mit militärischen Ehren. Ist halt Staatsbesuch. eib