Klassenkampf in Tempelhof

PDS-Broschüre erhebt schwere Vorwürfe gegen Sozialamt Tempelhof-Schöneberg. Bürgermeister erstattet Anzeige. Auch PDS-Basis streitet heftig über den Ratgeber für Sozialhilfeempfänger

von STEFAN WELLGRAF

Werden Sie auch „behandelt wie der letzte Dreck“? Sind Sie vielleicht sogar ein Opfer der „Sozialamtskriminalität“? Dann sollten Sie sich vielleicht den von der PDS Tempelhof herausgegebenen Ratgeber zum Umgang mit dem Sozialamt besorgen. Die Broschüre mit dem Titel „Dein Gutes Recht“ ist das Ergebnis von privaten Beratungen für Sozialhilfeberechtigte, welche seit Mai 2002 in den Räumen der Bezirks-PDS durchgeführt werden.

In der Publikation werden massive Vorwürfe gegen Bernd Krömer (CDU), den Bezirksstadtrat für Sozialwesen, erhoben. Unter dessen Aufsicht sollen Prämien an Mitarbeiter gezahlt worden sein, die Hilfeleistungen kürzen oder streichen würden, heißt es in dem Heft. Neben nützlichen Hinweisen auf die Rechte und Pflichten von Antragstellern sowie über Hilfsansprüche bei Miet- und Lebenserhaltungskosten ist die PDS-Broschüre vor allem ein Mittel der politischen Provokation. Die Mitarbeiter des Sozialamtes werden als Feindbild dargestellt, gegen die der Antragsteller seine Rechte notfalls mit gerichtlichen Zwangsmaßnahmen durchsetzen müsse. So gibt es umfangreiche Informationen über Klage- und Beschwerdemöglichkeiten, und an einer Stelle wird behauptet: „Im Sozialamt Tempelhof nimmt man es nicht so genau mit dem geltenden Recht.“

Viele der von der PDS erhobenen Beschuldigungen werden nicht belegt. Auffallend sind zudem klassenkämpferische Parolen. So lautet eine Überschrift: „Opfer der Sozialamtskriminalität? Da hilft nur: Sich wehren!“

Bezirksbürgermeister Ekkehard Band (SPD) wies die in der Broschüre erhobenen Vorwürfe zurück. Seiner Meinung nach gefährden die Anschuldigungen „das sensible Verhältnis zwischen Sozialamtsmitarbeitern und Hilfeempfängern“. Er kündigte gar an, eine Strafanzeige gegen den Verfasser der Broschüre zu stellen.

Auch in der PDS selbst ist das achtseitige Heftchen umstritten. Denn es ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie die zuletzt von Wahlniederlagen geschwächte PDS versucht, im Themenfeld der sozialen Gerechtigkeit ihr linkes Profil zu stärken. Hinter der Tempelhofer Aktion steckt auch ein Richtungsstreit an der Parteibasis. Auf der einen Seite steht die Gruppe der Reformsozialisten und Pragmatiker, denen der größte Teil der PDS-Führung angehört. Demgegenüber gibt es die Fraktion der orthodoxen Kommunisten und der radikalen Basisdemokraten. Insbesondere in den westlichen PDS-Parteiverbänden hat die extreme Linke zum Teil erheblichen Einfluss.

Die PDS Tempelhof streitet nun um die Frage, wie die Broschüre zum Sozialamt öffentlich dargestellt werden soll. Gert Julius, Sprecher der Tempelhofer PDS, vertritt eine gemäßigte Linie und betont, dass der Ratgeber nicht als Beleidigung gegen Mitarbeiter des Sozialamtes verstanden werden soll. Julius ist ein ehemaliger SPD-Gewerkschaftler, der 1999 aus Protest gegen eine Kriegsbeteiligung Deutschlands zu den Sozialisten übertrat.

Andere Protagonisten der PDS Tempelhof sind für eine deutliche Konfrontation. Sie wollen versuchen, gegen einzelne Mitarbeiter des Sozialamtes vorzugehen. Zu ihnen gehört Max Schumacher, Mitglied des PDS-Bezirksvorstandes und Sprecher für Sozialpolitik. Er bezeichnete Julius als „eingebildeten PDS-Vorsitzenden, der seine staatstragende Seite entdeckt hat“. Schumacher ist selbst Sozialhilfeempfänger. Das Gleiche gilt für den Verfasser des Ratgebers. Dieser hatte sich beim Abfassen des Textes vor allem „am Sprachniveau der Zielgruppe“ orientiert.