Kölner Uni vor Massenexodus

Viele Studierende sind verunsichert: Gut ein Drittel von ihnen müsste ab Sommersemester die geplanten Studiengebühren bezahlen. Der AStA rechnet in dem Fall mit 10.000 Exmatrikulationen

VON THOMAS SPOLERT

„Wenn ich etwas zahlen muss, werde ich mein Studium abbrechen“, sagt Ludger S.. Ludger studiert an der Universität Köln Sonderpädagogik. Er will einmal Lehrer an einer Sonderschule werden. Ein Diplom als Mathematiker hat er schon in der Tasche. Mittlerweile befindet er sich aber im 17. Hochschulsemester. Ob er ab dem kommenden Sommersemester die Studiengebühren für Langzeitstudenten zahlen muss, kann ihm derzeit niemand sagen. Weder bei der NRW-Bürgerberatung noch im Studierendensekretariat der Uni Köln hat er definitive Auskünfte bekommen.

Vor knapp einem Jahr hatte der Düsseldorfer Landtag mit den Stimmen von Rot-Grün das „Gesetz zur Einführung von Studienkonten“ verabschiedet. Danach müssen alle Studenten in NRW pro Semester 650 Euro Studiengebühren zahlen, wenn sie die Regelstudienzeit um das 1,5-fache überschreiten. Bonusguthaben für das Studienkonto gibt es für Pflege und Erziehung von Kindern, Gremienarbeit oder wenn das Amt der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten wahrgenommen wird. Nur nach individueller Prüfung gibt es Ausnahmen von der Gebührenpflicht. Als Härtefälle gelten eine Behinderung oder schwere Erkrankung, studienzeitverlängernde Folgen einer Straftat oder die wirtschaftliche Notlage in der Abschlussprüfungsphase.

Nicht nur Ludger S. ist verunsichert. Ein Drittel der rund 62.000 eingeschriebenen Studierenden an der Uni Köln ist wahrscheinlich von dieser neuen Studiengebühr betroffen. Konkrete Zahlen kann auch die Uni Köln nicht nennen. „Das Wissenschaftsministerium hat uns noch nicht die notwendige Software zur Verfügung gestellt“, erklärt Jens Kuck vom Uni-Dezernat für Studierendenangelegenheiten. Denn die Uni Köln plant, nur jenen Studierenden einen Anhörungsbogen zuzuschicken, die potenziell die Studiengebühr zahlen müssen. Dies soll noch im Januar passieren.

Ob es dazu kommt, bleibt fraglich. Mit 13.000 Lehramtsstudenten ist die Kölner Uni die größte Lehrer ausbildende Stätte Europas. Aber für Lehramtsstudiengänge sieht das neue Gesetz viele Ausnahmen von der Gebührenpflicht vor, die in das Software-Programm des Ministeriums eingearbeitet werden müssen.

Die Uni Köln sitzt derweil auf heißen Kohlen. Sie ist verpflichtet, bis Anfang März die Gebührenbescheide zu verschicken. Die Stimmung unter den Studierenden ist „ziemlich ätzend“, weiß Klemens Himpele zu berichten. Der bildungspolitische Sprecher des Kölner Uni-AStA klärt seit Wochen seine Kommilitonen über die neuen Studiengebühren auf: „Da sind zahlreiche ziemlich verzweifelte Fälle dabei, denen man nur sagen kann: Ihr müsst wohl zahlen.“ Unterdessen bereitet der Kölner AStA in Zusammenarbeit mit den anderen Asten im Land Musterklagefälle für alle sieben Verwaltungsgerichtsbezirke in NRW vor, damit die Gerichte nicht mit tausenden Widerspruchsklagen zu tun bekommen.

Ähnlich wie Ludger S. werden sich viele Kölner Studenten exmatrikulieren, sobald sie die neue Studiengebühr trifft. „Wir gehen von minus 10.000 Studierenden aus“, schätzt Klemens Himpele. Das bedeute 60.000 Euro pro Semester weniger Einnahmen für den AStA der Uni Köln. Nico Spengler, Finanzreferent des AStA, verspricht: „Erst mal wird es aber deswegen keine Beitragserhöhung geben.“ Das Minus wird bis Sommersemester 2005 durch Rücklagen und Einsparmaßnahmen aufgefangen werden. Wo genau gespart wird, hängt von den derzeitigen Koalitionsverhandlungen im AStA ab. Auch das Semesterticket wird nicht teurer werden, da erst im September 2003 mit dem VRS ein neuer Vertrag bis 2006 geschlossen wurde.

Für die Uni Köln wird ein Massenexodus von 10.000 Studierenden finanziell keinen Nachteil haben. „Die Mittel für Lehre und Forschung vom Land NRW sind abhängig von der Zahl der Absolventen und nicht von der Zahl der eingeschriebenen Studierenden“, erläutert der Leiter der Uni-Pressestelle, Wolfgang Matthias.

Die Studiengebühren haben für die Uni Köln ab 2005 sogar noch einen Vorteil. Denn die Hälfte der erwarteten Einnahmen in Höhe von 90 Millionen Euro fließt an die Universitäten in NRW. Thomas Breustedt, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums: „2006 gehen dann 100 Prozent der Studiengebühren an die Hochschulen im Land.“ Die restlichen Einnahmen aus 2004 und 2005, wahrscheinlich insgesamt 90 Millionen Euro, dienen der Konsolidierung des Landeshaushaltes.

Am meisten vom Rückgang der Studierendenzahl betroffen wäre das Kölner Studentenwerk. Ihm gehen nämlich Beitragszahler und potenzielle Kunden ihrer Angebote wie Mensa, Beratungsdienste und Kinderbetreuung verloren. Das Kölner Studentenwerk rechnet mit 6 bis 7 Prozent weniger Studierende durch die Einführung der Studiengebühren. „Im Jahr haben wir damit 400.000 Euro weniger Einnahmen“, rechnet Peter Schink vor. Der Geschäftsführer des Kölner Studentenwerkes kündigt gleichzeitig an, dass der Sozialbeitrag für das Studentenwerk von derzeit 33,25 auf 36,83 Euro im Sommersemester angehoben wird, damit die Lücke im Etat nicht noch größer wird. Auch die Angebote müssten zurückgefahren werden. Eine Auswahl von 15 Essen in der Mensa sei dann nicht mehr möglich.