Odyssee 2005: Hartz und die Folgen

Sozialzentren auf der Kippe? Langzeitarbeitslose werden künftig wohl vom Arbeitsamt, nicht mehr von der Kommune betreut. Das spart. Doch was aus den Menschen vor und hinter den Schreibtischen wird, fürchten Beobachter, ist der Politik egal

Bremen taz ■ Wer von Sozialhilfe lebt und arbeiten kann, für den ist das Sozialamt zuständig. Noch. Das wird sich ändern und damit die Ämterlandschaft in Bremen – die Sozialzentren, vor vier Jahren als dezentrale Verbesserung ins Leben gerufen, wären hinfällig. Das zumindest fürchten die MitarbeiterInnen.

Die Hartz-Gesetze und das, was aus ihnen im Vermittlungsausschuss wurde, machen Langzeitarbeitslose zum Spielball zwischen Bundesebene und Gemeinden (siehe Kasten). Zwar ist noch nichts entschieden, aber Bremen wird wohl wie die meisten Kommunen die Gruppe der Langzeitarbeitslosen in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit abgeben. Das hat für das Haushaltsnotlageland einen Riesen-Vorteil: Es spart Geld. „Mir ist in der Politik noch niemand begegnet, der mal sozialpolitisch argumentiert“, seufzt denn auch Burckhard Radtke, „es geht immer nur ums Geld.“ Radtke ist Personalrat im Amt für Soziale Dienste, als solcher vertritt er die Interessen seiner Kollegen. Denen ist die letzte Umstrukturierung noch sehr präsent: Vor rund vier Jahren sollte mit den zwölf Sozialzentren und dem Fallmanagement eine passgenaue Betreuung vor Ort möglich werden. Das Personal wurde in den neuen Ideen und in Servicedenken geschult, aber wie der gesamte öffentliche Dienst zugleich reduziert – weniger Mitarbeiter mussten ein Mehr an Arbeit auf neue Weise bewältigen. Jetzt könnte wieder alles anders werden – verheerend für die Motivation der rund 1.000 Beschäftigten, fürchten nicht nur die Personalräte.

Noch ist nicht klar, wie groß die Menge der Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist, aber Insider schätzen, dass bis zu zwei Drittel der bisherigen Klientel der Sozialzentren künftig wegfällt. „Die Sozialzentren werden sich ändern“, sagt Peter Härtl, zuständiger Abteilungsleiter bei Sozial- und Arbeitssenatorin Karin Röpke (SPD). Man warte auf das Gesetz, so Härtl, erst dann werde entschieden, wie es weitergehe. Ganz ähnlich sagt es auch Jürgen Hartwig, Leiter des Amts für Soziale Dienste. Er betont, dass er alle Mitarbeiter „regelmäßig zeitnah informieren“ werde.

130 bis 140 Millionen Euro würde das Land Bremen, also die beiden Gemeinden Bremen und Bremerhaven, pro Jahr einsparen, falls alles so bliebe wie in Hartz IV vorgesehen. Dann bliebe die Kommune lediglich zuständig für Wohngeld, Heizung, Kinderbetreuung, Schuldner- und Suchtberatung sowie psychosoziale Betreuung – alles weitere von der Sicherung des Lebensunterhalts bis zur Vermittlung in Arbeit oder in Beschäftigungsmaßnahmen wäre dann Sache der Bundesagentur bzw. ihrer Ableger vor Ort, der Arbeitsämter. Die müssten sich zusammentun mit ebenjenen Mitarbeitern der Sozialzentren, die dafür bisher zuständig waren. Wie das im Detail aussieht, kann jede Gemeinde selbst bestimmen, hier ist derzeit von „Arbeitsgemeinschaften“ die Rede.

Peter Härtl vom Arbeitsressort kann der Bundes-Lösung einiges abgewinnen. Denn Langzeitarbeitslose sind dem Arbeitsalltag fern. Jeder Chef würde sich zuerst ans Arbeitsamt wenden, wo die noch nicht so lange Arbeitslosen verwaltet werden. Womit Langzeitarbeitslose noch weniger Chancen hätten. „Florian Gerster hat stets die arbeitsmarktnahen Arbeitslosen für sich reklamiert. Was nur heißt: Für die arbeitsmarktfernen ist er nicht zuständig“, formuliert Härtl und lässt keinen Zweifel, was er davon hält: nichts.

Burckhard Radtke vom Personalrat argumentiert genau andersherum. Was in den Arbeitsämtern geschehe, passiere auf Weisung Nürnbergs, ohne große Rücksicht auf die Gegebenheiten vor Ort. „Die können‘s einfach nicht“, sagt Radtke und meint das „gar nicht negativ“, aber „die sind gar nicht in der Lage, so speziell zu arbeiten.“ In den Sozialzentren hingegen gebe es „hochqualifiziertes Personal, das übrigens auch jahrelang den Rücken hingehalten hat.“

Es geht bei der anstehenden Entscheidung nicht nur ums Geld. Es geht auch um Ansehen. Die Idee der Sozialzentren fanden alle, einschließlich Opposition und Personalrat, gut. Die Praxis mit ihren Personaleinspar- und Budgetzwängen aber steht in der Kritik, das Fallmanagement funktioniere kaum, klagen Betroffene. Die Hartz-Reformen könnten für die Senatorin ein ersehnter Anlass sein, aus der Struktur der Sozialzentren wieder auszusteigen – ohne dabei das Gesicht zu verlieren.

Susanne Gieffers