„Frauen sind Finanzgenies“

Frauen legen seltener als Männer Geld in Risikokapital an und reagieren deshalb relativ gelassen auf die Finanzkrise, sagt die Bremer Finanzberaterin Astrid Lorentz. Andererseits wollen sie immer noch mit Geld so wenig wie möglich zu tun haben

Interview: Eiken Bruhn

taz: Frau Lorentz, reagieren Frauen anders auf die Finanzkrise als Männer?

Astrid Lorentz, Finanzberaterin: Ganz pauschal betrachtet: Ja. Der überwiegende Teil unserer Kundinnen bleibt relativ gelassen, von wilden Verkäufen und Panik ist hier wenig zu spüren.

Wie erklären Sie sich das?

Frauen legen anders an als Männer. Während „der Mann“ ganz klassisch Anteile an Aktienfonds kauft, hat „die Frau“ ein größeres Sicherheitsbedürfnis und setzt weniger auf Risikokapitalanlagen, beziehungsweise klärt in Gesprächen mit uns ganz genau, welchen Risiken ihre Anlagen unterliegen. Böse Überraschungen bleiben so weitgehend aus.

Das betrifft Frauen, die etwas zu verlieren haben. Was ist mit denen, die nichts haben, mit dem sie spekulieren können?

Es rufen derzeit schon mehr Frauen bei uns an als sonst und haben Beratungsbedarf. Sie wollen wissen, wie sicher ihre Sparbuch-Einlagen oder Sparbriefe sind, ob sie sie lieber aufteilen sollen, ob ihr Geld bei den Sparkassen oder Volksbanken besser aufgehoben ist.

Haben sich bei Ihnen auch Frauen gemeldet, die richtig viel Geld verloren haben?

Die Frage ist, von welchen Summen wir sprechen. Die meisten Frauen haben weniger Geld als Männer, aber wenn die 40.000 Euro verlieren, dann tut ihnen das auch sehr weh. Solche Kundinnen haben sich gemeldet, auch weil sie sich bei ihrer Bank, die ihnen etwa Lehmann-Zertifikate verkauft hat, nicht gut aufgehoben fühlen. Da hieß es bis kurz vor dem Kollaps noch, „Ihr Geld ist sicher, machen Sie sich keine Sorgen.“ Eine andere Frau hatte sich auf ihren Vermögensverwalter verlassen, Geld im Ausland angelegt und teilweise einen Kredit dafür aufgenommen. Jetzt hat sie die Hälfte der über 100.000 Euro verloren und die Bank fordert das Darlehen zurück.

Eingangs sagten Sie, Frauen setzten stärker als Männer auf Sicherheit. Andererseits lassen sie sich zu Sachen bequatschen, die sie nicht durchschauen. Wie passt das zusammen?

Frauen neigen dazu, der Person zu vertrauen, die ihnen sagt, „das geht gut“ und denken, „der wird sich schon kümmern und versteht das sicher besser als ich“. Oder sie mögen nicht nachfragen, wenn sie es nicht verstanden haben.

Das klingt nach dem alten Lied, nach dem Frauen sich mit Geld nicht beschäftigen wollen. Hat sich nichts geändert?

Nein, das macht mich auch immer wieder fassungslos. Ich schätze, dass 85 Prozent der Frauen keine Lust haben, sich um ihre Finanzen zu kümmern.

Woran liegt’s?

Ich kann mir das nur mit Erziehung erklären. Die sorgt anscheinend dafür, dass Männer sich rechtzeitig mit ihrer Altersvorsorge, einer Berufsunfähigkeitsversicherung und anderem beschäftigen und Frauen denken, „ich höre dann ja doch auf, wenn die Kinder kommen“. Es ist ja nicht so, dass die gar nicht vorsorgen, aber mit der Heirat stellen sie ihre Verträge dann ein. Da können die Frauen noch so intelligent und studiert sein.

Trotz des neuen Unterhaltsrechts, mit dem Geschiedene schlechter dastehen als früher?

Komischerweise ja. Als glückliches, frisch verheiratetes Paar will man an Scheidung genau so wenig denken wie an den möglichen Tod des Partners. Das sind Tabuthemen. Ich kenne viele Frauen, die sich nach einer Scheidung fragen, „Wie konnte ich so blind sein.“

Da wird die Finanzberatung sehr persönlich.

Das geht immer ein Stück weit in eine Lebensberatung hinein.

Hand aufs Herz: Können Frauen mit Geld nicht umgehen?

Nein, ganz im Gegenteil. Viele sind richtige Finanzgenies, weil sie wenig haben und aus dem das Beste herausholen. Aber Frauen denken das oft von sich selbst, weil sie so wenig Lust haben, sich mit Geld zu beschäftigen. Vielleicht kann man das bis zu einer gewissen Grenze auch positiv sehen: Geld ist ihnen einfach nicht so wichtig.

Zurück zur Finanzkrise: Den Bildern nach zu urteilen, sind Männer in Anzügen an ihr schuld. Und unter den Folgen haben die Frauen zu leiden, schließlich ist Armut weiblich.

Im Kern stimmt das. Es mag einzelne Frauen geben, die Lust haben sich an den Spekulationen zu beteiligen, aber ich bin mir sicher, dass, wenn der Finanzmarkt von Frauen dominiert würde, es nicht so weit gekommen wäre. Solche Geschäfte zu betreiben, die kein Mensch mehr versteht und in denen es nur um Profite und Rendite geht – Frauen hätten das nicht so weit getrieben.

Hat Sie persönlich die Krise eigentlich überrascht?

In diesen Ausmaßen: Ja. Das hat mich richtig schockiert. Dass das nicht gut gehen konnte und irgendetwas passieren würde, das habe ich allerdings seit längerem geahnt. Das mag jetzt komisch klingen…

oder nach typisch weiblicher Bescheidenheit …

…aber ich habe bereits im März und April Kundinnen aus bestimmten Anlagen herausgeholt.

Weibliche Intuition oder weibliches Sicherheitsbedürfnis?

Weder noch. Das haben viele in der Branche geahnt.