„Ein Kinderarzt kriegt auch nicht weniger“

Klaus Schumacher, der gerade seinen Vertrag als Leiter des „Jungen Schauspielhauses“ verlängert hat, über den Stellenwert von Kinder- und Jugendtheater. In Hamburg hat er bereits neue Maßstäbe gesetzt

taz: Herr Schumacher, Sie haben Ihren Vertrag als Leiter des Jungen Schauspielhauses um sechs Jahre verlängert. Was war in der Verhandlungsmasse?

Klaus Schumacher, Gründer und Leiter des Jungen Schauspiels Hamburg: Zum Beispiel die Bezahlung der Schauspieler. Unser Ensemble hat ein sehr forderndes Publikum und eine viel höhere Aufführungsfrequenz als die Kollegen vom Abendspielplan – es gibt also überhaupt kein Argument für eine schlechtere Entlohnung. Ein Kinderarzt bekommt ja auch nicht weniger als ein Allgemeinmediziner.

Das Junge Schauspielhaus ist die erste deutsche Bühne, die diese Gleichbehandlung konsequent praktiziert. Wie haben Sie das durchgesetzt?

Uns kam unser guter Start zu Hilfe, gleich in der ersten Spielzeit gab es geradezu eine Preisflut. Und wir haben mit Friedrich Schirmer einen Intendanten, für den der Bereich tatsächlich nicht nachrangig ist. Seit drei Jahren gibt es erfreulicherweise eine Gründungswelle von „Jungen Schauspielhäusern“ in Deutschland und ich kann den Kollegen nur raten, sofort für eine Gleichbehandlung zu sorgen.

Für Sie war das möglicherweise einfacher – Sie gehören offiziell zur künstlerischen Gesamtleitung des Hauses.

Auch wir haben nur sechs Schauspieler, mit denen wir sechs bis sieben Produktionen im Jahr erarbeiten. Aber in der Tat haben wir die gleichen Etats für Werbung, Ausstattung und Dramaturgie wie im großen Ensemble.

Eine Jugendtheater-Produktion ist gleich teuer wie eine Premiere an der größten deutschen Sprechbühne?

Im Verhältnis gesehen schon. Wir produzieren vorwiegend im Malersaal. „Die Odyssee“ war dort die bislang aufwändigste Produktion überhaupt.

Dem Bremer „Moks“ steht etwas mehr als ein Prozent des Theateretats zur Verfügung. Aber immerhin gibt es seit 2005 mit den „Jungen Akteuren“ eine eigene Theaterschule.

Darauf kann Bremen stolz sein. Bei uns gibt es ähnliche Aktivitäten, aber es fehlt ein eigener Ort. Bislang müssen wir mit unseren „Backstage“-Produktionen immer schauen, wann auf den Probebühnen Luft ist. Das ist in Bremen mit dem eigenen Sitz im Kontorhaus besser gelöst – und die „Jungen Akteure“ haben einen Ort, mit dem sie sich identifizieren können.

Vor dem Hintergrund von Schirmers umstrittener Vertrags-Verlängerung wird insbesondere auf das „Junge Schauspielhaus“ als Erfolgsprojekt verwiesen. Wäre ein solcher öffentlicher Stellenwert auch in Bremen denkbar?

Zunächst mal ist entscheidend, wie sich die Künstler selbst wertschätzen. Aber in der Tat ist es in Hamburg derzeit einfacher, schließlich sind wir jetzt „Modellregion für Kinder- und Jugendkultur“. Darauf kann man in jeder Argumentation gut verweisen. In Bremen gibt es ein Riesenproblem mit der Ausstattung dieser wichtigen Sparte. Der Etat müsste bei dem Output bei einem Drei- bis Vierfachen liegen.

Dafür ist im Bremer Moks der Eintritt frei – zumindest für Bremer Schulklassen.

Das ist unglaublich modern und kratzt keineswegs an der künstlerischen Wertschätzung. In Hamburg war das nicht durchsetzbar, aber wir haben eine „Klassenkasse“ eingerichtet, die wir zum Beispiel mit CD-Produktionen füllen. Damit kann der Eintritt bei Bedarf übernommen werden.

Der Bremer Gratiseintritt resultiert aus der Geschichte des Moks als Gründung der Bildungsbehörde – mit dem Ziel, auch „kulturferne“ SchülerInnen theatral anzusprechen. Erreichen Sie in Hamburg eine ähnliche Streuung?

Durchaus. Als wir zum Beispiel „Ehrensache“ von Lutz Hübner gespielt haben, ein Stück über Ehrenmord, kamen viele Klassen aus Wilhelmsburg – hier entfaltet das Stück ganz konkrete Relevanz. Schließlich muss sich auch im Kinder- und Jugendtheater die Welt spiegeln, wie sie ist, um reale Erfahrungen zu ermöglichen. INTERVIEW: HENNING BLEYL

Fotohinweis:KLAUS SCHUMACHER, 43, leitet seit 2005 das Junge Schauspielhaus Hamburg. Zuvor war er neun Jahre am Bremer „Moks“.