berliner szenen Ein Banker in Neukölln

Blut auf der Stirn

Wir sahen ihn direkt am Reuterplatz liegen. Er schlief in einem festen, wahrscheinlich durch zu viel Alkohol verursachten Schlaf. Seine Stirn blutete. Er sah aus wie ein Banker oder so. Neben ihm lag jedenfalls seine Aktentasche. Wir weckten ihn. Er sagte schon, bevor er nur seine Augen geöffnet hatte, dass alles okay sei und wir ruhig weitergehen sollten. Wir blieben und fragten ihn, ob er wisse, dass seine Stirn blute. Er öffnete seine Augen und sagte dann, dass wir ruhig weitergehen sollten. Wir fragten ihn, ob er wisse, wo er sei. Er antwortete, dass er aus Oldenburg komme. Wir versuchten ihm nochmals zu erklären, dass er an der Stirn blute und in Neukölln sei, er versuchte uns wieder zu überreden, dass wir gehen sollten. Wir schlugen vor, dass wir gehen würden, sobald er aufgestanden sei. Er nahm an und stand auf.

Als er stand, blickte er uns erschrocken an. Er schien vergessen zu haben, dass wir mit ihm noch vor einer Sekunde gesprochen hatten. Dann fasste er sich an seine Stirn. Dann sah er auf die Finger, mit denen er seine Stirn berührt hatte. Sie waren voller Blut. Er fragte uns, ob er an der Stirn blute, wir sagten ihm, dass wir ihm das schon mehrfach gesagt hätten. Dann fragte, er wo er sei. Als wir ihm sagten, dass er in Neukölln sei, guckte er uns sehr skeptisch an und fragte, was wir hier eigentlich machen würden und ob wir „so scheiß Wohltäter“ seien, die einen immer überreden wollen, etwas zu spenden. Wir versicherten ihm, dass wir nichts von ihm wollten, außer ihn zu wecken. Er war sehr verärgert über uns und der Meinung, dass er gar nicht auf der Straße geschlafen hatte. In so einem „Scheißviertel“ würde er sich sowie nie aufhalten. Dann fasste er sich an die Stirn und bemerkte erneut, dass er dort blutete. JACOB BÜHS