„Es geht nicht um Geld“

Früher war Karen König Schwimmeuropameisterin, heute ist sie Dopingopfer. Nun plant sie eine Sammelklage auf Entschädigung gegen das NOK. Prozesskostenhilfe wurde ihr schon bewilligt

Interview FRANK KETTERER

taz: Herzlichen Glückwunsch, Frau König. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat gerade Ihrem Antrag auf Prozesskostenhilfe zugestimmt. Was heißt das en detail?

Karen König: Zuallererst ist das mal sehr erfreulich. Wobei ich nie daran gezweifelt habe, dass der Antrag positiv beschieden wird. Dass das jetzt endlich geschehen ist, ist einfach wichtig, weil es einmal mehr beweist, dass es die Dopingopfer gibt, auch wenn in letzter Zeit bisweilen anderes kolportiert wurde.

Konkret bedeutet der Gerichtsbeschluss, dass der Weg nun frei ist, das NOK für Ihre durch das DDR-Staatsdoping erlittenen Schäden in die Pflicht nehmen und endgültig eine Schadensersatzklage auf den Weg bringen zu können.

Genau. So ist es. Die Richter haben damit bestätigt, dass meine Klage Aussicht auf Erfolg hat und mir deshalb die Prozesskostenhilfe bewilligt. Darüber bin ich sehr froh.

Bisher hat der NOK für Deutschland stets seine Verantwortlichkeit für die Dopingopfer verneint. Was bedeutet da dieser Gerichtsentscheid?

Dass sich die Wahrheit am Ende doch durchsetzt, auch wenn es manchmal lange dauert. Und dass sich das NOK nicht mehr hinstellen kann und sagen: Wir haben mit den Dopingopfern nichts zu tun. Das NOK hat sehr wohl etwas damit zu tun – und das ist jetzt sogar aktenkundig.

Das Gericht stellt in seiner Begründung fest, dass das NOK für Deutschland zwar nicht Rechtsnachfolger des DDR-NOK sei, durch die Übernahme dessen Vermögens, immerhin 5,4 Millionen Mark, aber auch dessen Schuld mitübernommen hat. Ihr Rechtsanwalt Jens Steinigen hat mit seiner Klagebegründung wohl alles richtig gemacht.

Das kann man getrost sagen.

Welche Schäden machen Sie geltend?

Ich leide unter Akne, Gewichtszunahme und Depressionen. Ein bleibender Schaden ist auch meine tiefe Stimme.

Auch wenn das jetzt bescheuert klingt, aber damit sind Sie sogar noch glimpflich davongekommen.

Auf jeden Fall. Viele Dopingopfer kämpfen heute mit weitaus größeren Schäden bis hin zu Krebs. Da muss ich noch froh sein. Andererseits schmälert das meine Leiden keineswegs. Körperverletzung ist Körperverletzung.

Mit was für einer Summe lassen sich all diese Schäden wieder gutmachen?

Mit gar keiner. Es geht vorrangig ja auch gar nicht um Geld oder eine gewisse Summe, sondern um die Sache an sich: dass das NOK der DDR einen großen Anteil am Doping hatte und dass das geamtdeutsche NOK sich nicht aus dieser Schuld herausstehlen kann, sondern dafür Verantwortung übernehmen muss. Das ist mir persönlich das Wichtigste: Die können sich jetzt nicht mehr hinstellen und sagen: Dopingopfer – damit haben wir nichts zu tun. Jetzt haben sie was damit zu tun.

Wie werden Sie weiter vorgehen?

Mein Anliegen ist es, dass das, was am Ende herauskommt, nicht nur für mich alleine, sonden für alle Dopingopfer von Nutzen ist. Zum Beispiel dadurch, dass das NOK einen bestimmten Betrag in den Dopingopfer-Hilfe-Fonds einbezahlt, der dann an die Opfer verteilt werden kann. Es geht ja nicht darum, dass ich mich durch einen Prozess bereichern will, sondern um die Sache an sich.

Das heißt, Sie werden mit anderen Opfern Kontakt aufnehmen, um eventuell eine Sammelklage anzustrengen?

Wenn das möglich ist – auf jeden Fall.

Zuletzt wurde sogar die Existenz des flächendeckenden Dopings in der DDR wieder in Frage gestellt und damit auch die Existenz von Dopingopfern. Da kam der Gerichtsentscheid wohl gerade zur rechten Zeit?

Stimmt. Das hat wohl damit zu tun, dass bisher noch recht wenig Anträge von Dopingopfern auf Entschädigung nach dem Dopingopfer-Gesetz eingegangen sind. Aber es hat nichts damit zu tun, dass es uns, die Opfer, nicht gibt. Es ist nur einfach so, dass wir Opfer schon wieder in der Beweislast sind und nachweisen müssen, dass unsere Schäden vom Doping herrühren. Das ist manchmal gar nicht so einfach.

Wieso nicht?

Weil nicht jeder die entsprechende Unterlagen und Akten zur Hand hat, mit denen belegt werden kann, wann er welche Mittel verabreicht bekommen hat. Viele Opfer melden sich nicht, weil sie nicht über entsprechende Unterlagen verfügen. Oder sie sind noch damit beschäftigt, Akten und Gutachten zu sammeln. Das aber dauert.

Ende März läuft die Antragsfrist für Entschädigung nach dem Dopingopfer-Hilfe-Gesetz aus. Haben Sie Ihren Antrag schon eingereicht?

Nein. Aber ich habe mittlerweile all meine Unterlagen zusammen und werde meinen Antrag in den nächsten Tagen einreichen.