Die Roten Teufel fahren in den Berliner Mai

Der 1. FC Kaiserslautern träumt nach dem 3:0 im Halbfinale gegen Werder Bremen von Klassenerhalt und Pokalsieg

KAISERSLAUTERN taz ■ Wann wird FCK-Trainer Erik Gerets wohl entspannter mit seiner Mannschaft nach Berlin reisen – am 24. Mai zum Bundesliga-Saisonabschluss gegen Hertha BSC oder eine Woche später zum DFB-Pokalendspiel? Nach dem 3:0 im Halbfinale gegen Werder Bremen stecken die Lauterer in einem ähnlichen Dilemma wie vor sieben Jahren, als sie binnen einer Woche erst in Leverkusen aus der Bundesliga abstiegen und danach gegen den Karlsruher SC den Pokal holten.

„Wenn wir ins Finale kommen und nicht absteigen, können wir die relativ verkorkste Saison noch retten“, hatte der Vorstandsvorsitzende der Pfälzer, René C. Jäggi, dieses Schreckensszenario zu verdrängen versucht. Überhaupt schien die Zukunft nicht nur ganzer Vereine, sondern ganzer Städte vom Ausgang des Pokal-Halbfinales abzuhängen, denn auch Bremens Trainer Thomas Schaaf hatte orakelt, die Welt an der Weser sei wieder in Ordnung, „wenn wir das Finale schaffen“. Nun ist die Welt im Norden doch weiter aus dem Lot, während sie im Südwesten ganz langsam aus der permanenten Schieflage herausfindet.

Dazu trug auch Schaaf bei, dessen Ersatzbank fast mehr prominente Namen fasste als auf dem Platz standen. „Wir haben dreimal bitte gesagt und die Lauterer dreimal danke“, klagte der wortkarge Coach hinterher und musste sich dabei „das Ding ganz klar an die eigene Nase binden“. Als er Ailton nach 54 Minuten brachte, stand es nach Toren von Lincoln (8.) und Miroslav Klose (52.) bereits 2:0, und als Krisztian Lisztes eine Viertelstunde später Tim Borowski ablöste, war die Fastnachtsdienstagsmesse in der pfälzischen Kathedrale namens Betzenberg längst gelesen.

Nach seiner desolaten Hinrunde in der Bundesliga kommt der 1. FC Kaiserslautern dank Erik Gerets’ sorgfältiger Arbeit und ruhiger Art immer besser in Tritt. Große Namen, die sich ihrer Stammplätze sicher waren, schmollen nun auf der Bank und schauen dem Spiel der besser Motivierten zu. Mit zuletzt zwei Siegen und drei Unentschieden in der Bundesliga hat der FCK das Rennen gegen den Abstieg inzwischen zur Zitterpartie für zehn Teams gemacht. Der Einzug ins Pokalfinale gibt neues Selbstbewusstsein. Für Gerets war es „ein Spiel ganz nach meinem Geschmack“, weil er große Ereignisse wie Endspiele auch aus seiner Zeit als Spieler mag.

Einen nahm Gerets von Anfang an von disziplinarischen oder taktischen Maßnahmen aus: Miroslav Klose, der seinen Trainer dankbar lobte, „weil er an mich glaubte und mich immer wieder aufgestellt hat“. Keine Verunsicherung – das ist Gerets’ Motto, und so zeigten auch zehn verbliebene Lauterer nach dem Platzverweis gegen Grammozis (63.) kaum Nerven gegen die schwachen Bremer. Zwar unterläuft der neu gebildeten Viererkette hin und wieder ein Fehler, doch hinter ihr steht Torhüter Tim Wiese, der – anders als der von ihm verdrängte Georg Koch – seinen Kasten meist sauber hält. Und Ciriaco Sforza, der lange geschmäht und ausgepfiffen wurde, bringt auch wieder Leistung und wirkt als zuverlässiges Scharnier zwischen Abwehr und Angriff. Sogar vermeintliche Fehleinkäufe wie Markus Anfang, José Dominguez und Christian Timm strafen ihre Kritiker Lügen und bereiten entscheidende Tore vor oder schießen sie selbst, wie Timm das 3:0 (80.).

Nun will Erik Gerets auch das Finale gewinnen, aber davor hat die Fußballgöttin noch elf schicksalhafte Bundesligaspieltage angesetzt, an denen seine Mannschaft nur noch fünfmal zu Hause spielen darf. Gleich am Sonntag ist das erste gegen den 1. FC Nürnberg, an dem man mit einem Sieg vorbeiziehen würde, „ein Spiel, das viel wichtiger ist als das Pokalspiel“ (Gerets).

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