Viele Tote bei Anschlag in Israel

Mit dem jüngsten Attentat auf einen Bus in Haifa sind die Verhandlungen palästinensischer Fraktionen über einen Waffenstillstand zunächst gescheitert. Sie befürchten ein massives Vorgehen der Armee im Falle eines Angriffs auf den Irak

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Nach gut zwei Monaten ohne Anschläge sind gestern erneut mindestens fünfzehn Menschen bei einem Sprengstoffattentat ums Leben gekommen, über dreißig weitere wurden verletzt. In Polizeikreisen hieß es, vermutlich habe sich ein palästinensischer Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Zunächst bekannte sich keine Organisation zu dem Anschlag.

Die Explosion ereignete sich kurz nach 14 Uhr Ortszeit in einem Linienbus in der Hafenstadt Haifa. Augenzeugen berichteten von dem abgerissenen Wagendach und „über die Straße verteilten Körpern“. Der Bus war auf dem Weg zur Universität. Bei dem letzten Attentat Anfang Januar waren 23 Menschen in Tel Aviv getötet worden.

Das Ende der zweimonatigen Ruhe entlarvt die Kairoer Gespräche, wo seit mehreren Monaten die zwölf palästinensischen Fraktionen über Bedingungen zu einem Waffenstillstand verhandeln, als utopisches Vorhaben. Selbst die Hoffnung, die islamistischen Organisationen Hamas und Dschihad könnten einem Ende des Terrors zumindest stillschweigend zustimmen, erscheint nun übertrieben.

Mit Blick auf die möglicherweise bevorstehende US-amerikanische Offensive gegen Bagdad wuchs der innerpalästinensische Druck auf islamische Fundamentalisten, Gewalttaten innerhalb Israels einzustellen. Die Palästinenser befürchten, Israel könnte im Schatten des Krieges erneut scharfe Maßnahmen gegen sie ergreifen. Gerüchte kursieren über angeblich bevorstehende Massenausweisungen, allen voran ein Landesverweis für Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Um Premierminister Ariel Scharon für derartige Schritte keine Rechtfertigungen in die Hände zu spielen, rief die Autonomieführung jüngst erneut zu einer Einstellung der Gewalt auf.

Der Historiker Salach Abdel-Jawwad von der Universität Bir-Zeit hegt „keinen Zweifel daran, dass die Israelis es mit ihren jüngsten Militäraktionen im Gaza-Streifen darauf anlegen, die islamischen Fundamentalisten zu neuen Anschlägen zu provozieren“. Die wiederholten massiven Offensiven der israelischen Armee, die innerhalb weniger Tage mehr als 50 Menschenleben forderten, waren sicherlich für den Kairoer Prozess nicht hilfreich.

Umgekehrt glaubt der israelische Nahostwissenschaftler Amatzia Baram von der Universität in Haifa, dass die Palästinenser, wenn der Krieg erst einmal beginnt, „die Attentate gegen Israel intensivieren werden“. Zum einen genieße der irakische Präsident Saddam Hussein im Gaza-Streifen und im Westjordanland „heute mehr Sympathie als Arafat selbst“. Zum zweiten würden die Widerstandsgruppen „die israelische Verwirrung bei einem irakischen Angriff für sich nutzen wollen“.

Premierminister Scharon hatte erst am Mittwoch eine Sondersitzung mit Sicherheitsberatern zum Thema globale Terrorbedrohung abgehalten. Ziel ist es unter anderem, internationale Unterstützung für ein Abkommen gegen Selbstmordattentäter zu erreichen, darunter das Verbot von Aufrufen zum Attentat und der Beihilfe. Die finanzielle Hilfe von Staaten oder Organisationen an die Familien von Selbstmordattentätern soll ebenfalls verboten werden. Seit Beginn der Intifada hat Saddam Hussein Berichten zufolge mindestens 800 Familien so genannter Märtyrer jeweils bis zu 25.000 Dollar an Unterstützung zukommen lassen.