Und die weite Welt als Reiseziel lockt doch

Angst vor Krieg und Wirtschaftsflaute: Die Tourismusbranche gibt sich optimistisch, auch wenn sie Sparkurs fährt

BERLIN taz ■ Wegen Irakkrise und Wirtschaftsflaute wird das Wachstum der Tourismusbranche nach Einschätzung des Welttourismusrates (WTTC) in diesem Jahr geringer ausfallen als bislang erwartet. Bereits im vergangenen Jahr investierten die Verbraucher nach WTTC-Schätzungen 0,3 Prozent weniger in ihren Urlaub. 2001 war der Umsatz um 1,5 Prozent geschrumpft.

Marktforscher gehen von stark negativen Auswirkungen der Irakkrise aus: Der steigende Ölpreis sorgt auch hier für höhere Kosten. Hinzu kommt, dass ganze Regionen im westlichen Mittelmeerraum kaum bereist werden können. Dennoch gibt sich die Branche vor Beginn der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin am Freitag optimistisch. Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes, erklärte, die Branche habe „das Jahr 2003 nicht abgeschrieben“.

Angesichts eines möglichen Irakkrieges mache die Erfahrung mit dem Golfkrieg 1991 Mut, bei dem der Reiseverkehr zunächst zwei Monate nahezu zum Erliegen gekommen sei. „Am Jahresende jedoch hatten die Veranstalter bei Teilnehmern und Umsätzen um fast zehn Prozent zugelegt“, so Laepple. Trotz eines Umsatzrückgangs von 26 auf 25 Milliarden Euro sei das befürchtete Reisebürosterben im letzten Jahr ausgeblieben.

Dessen ungeachtet prüft der Chef des Reisekonzerns TUI, Michael Frenzel, allerdings weitere Einsparungen über die angekündigten Kostenreduzierungen von 111 Millionen Euro hinaus. Und auch in der Preisstruktur soll etwas passieren: Frühbucher sparen, Kurzentschlossene zahlen mehr. Die „neue Preislogik“ soll laut Frenzel „in den nächsten 24 Monaten“ greifen.

Auch der Thomas-Cook-Boss, Stefan Pichler, denkt über eine „veränderte Preis-Absatz-Funktion“ nach. Denn erstmals in seiner Geschichte musste der zweitgrößte deutsche Reisekonzern gestern rote Zahlen bekannt geben: 119,5 Millionen Euro Minus für 2002. Im Vorjahr hatte er noch ein Plus von 20,4 Millionen Euro ausgewiesen. In Deutschland waren die Einbußen besonders schwer: Nach 68,3 Millionen Euro im Vorjahr steuerte der Markt 2002 nur noch 1 Million Euro zum Ergebnis bei. Derzeit liegen die Sommerbuchungen konzernweit rund neun Prozent unter denen des Vorjahrs.

Passende Zahlen dazu veröffentlichte gestern das Statistische Bundesamt: Im letzten Jahr flogen nur noch 47,1 Millionen Passagiere von deutschen Flughäfen ins Ausland – 3,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Deutliche Gewinner waren die Türkei und asiatische Staaten wie China oder Indien. Reisen innerhalb Europas gingen deutlich zurück: Nach Spanien flogen im vergangenen Jahr mit 8 Millionen 8,9 Prozent weniger Passagiere als im Jahr zuvor. Vor allem die Balearen fielen in der Gunst der Deutschen: Die Zahl der Flugreisenden nach Mallorca, Menorca und Ibiza brach um 16,3 Prozent auf 2,9 Millionen ein. Auch nach Griechenland gingen die Fluggastzahlen um 5,2 Prozent auf 2,3 Millionen zurück.

Die Zurückhaltung ist allerdings nicht nur die Folge von Kriegsangst und Wirtschaftsflaute, sondern auch der Marketingstrategien der Veranstalter. Die Rabattflut auf dem deutschen Reisemarkt verwirre die Kunden zunehmend, erklärt Wolfgang Twardawa vom Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK. Sie misstrauten vielen Preisaktionen „und warten ab“. Nachlässe auf breiter Front machten Produkte austauschbar. Deshalb sollten Preisanreize „dosiert eingesetzt werden und für den Kunden nachvollziehbar sein“. Zudem achteten immer mehr Touristen auf Qualität. „Es reisen weniger. Aber diejenigen, die reisen, schränken sich im Urlaub kaum ein“, so der Marktforscher. Qualität habe weiter ihren Preis. EDITH KRESTA