Einigkeit unterm Regencape

Werder Bremen versöhnt sein Publikum mit einem 5 : 1 gegen schwache Herthaner. War das schon die Wende zum Guten? Die Mannschaft ist extrem abhängig von ihren Stars Diego und Pizarro

AUS BREMEN RALF LORENZEN

Werder Bremen musste in dieser Saison schön öfter improvisieren, meist um das Verletzungspech auszugleichen. Ein ganz anderes Provisorium wurde am Samstag im Spiel gegen Hertha BSC zum Symbol für die Rückkehr zur alten Verbundenheit zwischen Mannschaft und Publikum: Als heftiger Regen einsetzte, warfen sich tausende Besucher mit so entschlossener Miene in ihre grünen Regencapes, als würden sie sich das selbst das Werder-Trikot überstreifen. Die Capes waren verteilt worden, weil das Tribünendach an einigen Stellen bereits für den Umbau demontiert ist.

Und die im Trockenen standen, trotzten den zahlreichen Abgesängen auf die guten alten Zeiten, die die Sportseiten der vergangene Tage gefüllt hatten, schon mit Standing Ovations, als noch gar nichts Zählbares aus Werders Anfangsoffensive herausgesprungen war. Aber spätestens als Diego mit einem Kunstschuss nach artistischer Özil-Vorlage das 2 : 0 besorgte und das Publikum, egal ob nass oder trocken, wie ein Zampano zu noch größerer Ekstase anfeuerte, waren 40.000 überzeugt: „Der SVW ist wieder da.“ Der Rest des Spiels war – bis auf ein paar Durchhänger in der zweiten Halbzeit, eine Mischung aus Wiedergutmachung für die enttäuschte Liebe der letzten Wochen und süßem Versprechen für die Zukunft. Dabei zauberte sich ein Spieler in die Herzen der Fans, dem sie bislang zwar Respekt, aber keine Verehrung entgegengebracht hatten: „Pi-zar-ro – oh-ho“, schallte es auf jene Melodie, in der einst Ailton gehuldigt wurde.

So viel anschließend auch gerätselt wurde, warum die Mannschaft erst jetzt die Vorgaben des Trainers umgesetzt habe – ohne die wieder genesenen Diego und Pizarro hätte diese Fußball-Party nicht stattgefunden. Sie machen im Moment im Werder-Spiel den Unterschied zwischen grauer Maus und Spitzenklasse aus. Die Verletzungspause scheint vor allem Diego genutzt zu haben, um sich endlich vom Olympiastress zu erholen – körperlich und mental. Die beiden Südamerikaner prägten das Spiel nicht nur durch individuelle Klasse in fast allen Situationen. An ihrer Seite blühten auch Rosenberg und Özil merklich auf, die gegen Leverkusen noch überfordert wirkten, als die Last der Verantwortung auf ihren Schultern ruhte.

Im Umkehrschluss bedeutet diese Erkenntnis, dass Werder im Moment nicht die Substanz besitzt, die Ausfälle der beiden Offensivstars zu kompensieren. Entsprechend vorsichtig war auch Klaus Allofs damit, dieses Spiel bereits als die Wende zum Guten zu feiern. „Da gibt es noch viele, viele Sachen, die wir verinnerlichen müssen, um ganz oben dabei zu sein. Wir müssen vor allem mit viel Konzentration und Aufwand das wiedergutmachen, was wir verloren haben. Aber ich glaube schon, dass alle das begriffen haben.“

Für diesen Lernprozess kamen die Herthaner gerade recht. In keiner Phase konnten sie begreiflich machen, warum sie vor diesem Spieltag so weit oben in der Tabelle standen. Von einer kompakten, aggressiven Spielweise des neu erstarkten Hauptstadtclubs war vorher zu lesen. Nachher musste Manager Dieter Hoeneß einräumen, dass die Mannschaft in Bremen alles vergessen ließ, was sie vorher ausgezeichnet hatte. Vorne machte Alleinunterhalter Marko Pantelić hauptsächlich mit theatralischer Körpersprache auf sich aufmerksam, und auch Ciceros Treffer zum 1 : 4 brachte keine Wende. Hinten stand Torwart Christopher Gäng wiederholt allein im Regen. Der dritte Keeper der Herthaner hatte erst eine Stunde vor dem Spiel von seinem ersten Einsatz in einem Bundesligaspiel erfahren, da Stammtorwart Jaroslav Drobny sich kurzfristig verletzt hatte. Prompt segelte der Debütant gleich an der ersten Ecke vorbei und hatte das Pech, auch bei den Treffern von Diego und Rosenberg sehr unglücklich auszusehen, ohne wirklich Schuld auf sich zu laden. In der zweiten Halbzeit verhinderte er mehrfach eine höhere Niederlage, da war Dieter Hoeneß aber anscheinend schon der Stabreim eingefallen, mit dem er nach dem Spiel von Mikrofon zu Mikrofon tourte: „Ein Debakel zum Debüt – das ist schon ganz anderen passiert.“