krankenkassen
: Gesundheit, Kassen, Lügen

Drei Milliarden Euro Miese haben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr erwirtschaftet. Gemessen daran, wie oft Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verkündete, dass sie schönere Zahlen erwarte, ist das natürlich eine Überraschung. Aber wer hat ihr denn noch geglaubt? Wahrscheinlich noch nicht einmal sie selbst.

Kommentarvon ULRIKE WINKELMANN

Etwas billig ist es daher, auf die Ärzte zu zeigen und zu sagen, mit ihrer hemmungslosen Verschreiberei hätten sie die Pillenkosten explodieren lassen. Natürlich verschreiben die Ärzte lieber das von der schönen Pharmavertreterin empfohlene teure Originalpräparat als das ordinäre Nachahmerprodukt. Die Gründe dafür, dass in Deutschland so wundersam viele und teure Medikamente verkauft werden, liegen jedoch tiefer.

Denn nur mit Budgetierung und Sparvereinbarungen ist es nicht getan. Die Gesundheitskosten lassen sich nicht unter Kontrolle bringen, indem man versucht, die Ärzte unter Kontrolle zu bringen. Nach 25 Jahren Kostendämpfungspolitik ist klar, dass der Gesundheitsbetrieb funktioniert wie ein System kommunizierender Röhren: Wenn ich auf einen Teil der Ausgaben einen Deckel drücke, werden sie eben woanders ansteigen. Wenn ich ein Budget verordne, werden die Kosten steil anwachsen, sobald der Deckel wieder gelüftet wird.

Nein, Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt, einer der stärksten der Republik. Eine Gesundheitsministerin, die die Ausgaben drücken will, kämpft dabei gegen einen Wirtschaftsminister, der die Gesundheitsindustrie pflegen will. Der DGB und Ver.di stehen an der Seite der Ministerin, haben jedoch in ihren Reihen die Chemiegewerkschaft, die für die Expansion der Pharmabranche kämpft, und die Kollegen von den Privatversicherungen mit gleichem Ziel.

Die Debatte um die Gesundheitsreform müsste diese Widersprüche zwischen Kostenkontrolle und Markt eigentlich benennen. Es gälte, die Marktmechanismen dort einzusetzen, wo sie Ausgaben zu reduzieren helfen. Stattdessen macht es sich die Regierung einfach: Die Versicherten sollen zahlen. Die Reform wird wohl darin bestehen, dass Unfallversorgung und Zahnersatz privat versichert werden müssen – ohne Anteil der Arbeitgeber. Dadurch werden Unfall- und Zahnkosten steigen, weil niemand mehr auf die Preisbremse tritt. Aber das macht der Regierung nichts aus, denn die Kassenbeiträge sinken ja. Das Rezept ist so schlicht wie verlogen.

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