berliner szenen Artforum etc.

Überall Russen

Manni und Joe saßen bei Mo an der hufeisenförmigen Bar. Manni hatte das zehnte Kölsch vor der Nase und sah Ute beim Zapfen zu. Joe redete sich wieder in Rage. Materialschlacht, sagte er, Malgewitter.

Manni hörte gar nicht mehr hin. Bilderschlachten, das Material zerhacken, mehr ist das doch nicht. Die Wirklichkeit mit den Farben zur Strecke bringen, sagte Joe. Ach komm, dachte Manni und nahm einen Schluck. Und wenn schon, dachte er. Das Martialische solcher Aussagen, das die Krittler und Erbsenzähler Joe so gerne vorwarfen, fand Bärbel süß, dachte Manni. Von Ernst Jünger hatte die noch nie was gehört. Ach, Bärbelchen. Auch klar: Am Monatsende hatte Bärbel mit ihren frei flottierenden Millionen mehr Gewicht als so ein Kunstkolumnist, das wusste Manni. Er ließ Joe machen. Gerade stieg Joey zum Beispiel auf den wackeligen Barhocker und machte den Gröfaz.

Manni wedelte mit zwei Fingern über die leeren Gläser. Er hörte, wie Joey auf der anderen Seite des Hufeisens vom Barhocker fiel, und dachte nach über die Russen. Auf dem Artforum, in Basel, Miami, überall Russen. Wie die Heuschrecken. Und hier waren die auch schon. Neben Manni drängten zwei an die Bar. Sie trugen T-Shirts, auf denen in öligem Schwarz UNSER ALLES geschrieben stand. So viel Selbstironie hätte Manni denen gar nicht zugetraut. An die Sahnestücke ließ er sie trotzdem nicht. Das würde nur die anderen Sammler verschrecken, außer vielleicht Bärbel. Ein Bild in den Händen eines ukrainischen Schurken oder Playboys verdarb sofort die Preise. Manni war entschlossen, seinen Stall sauber zu halten. Ute stellte die Frischgezapften hin. Manni sagte: Allerherzlichsten Dank, Ute. Und dann sagte er: Prost. SASCHA JOSUWEIT