Berlusconi hin und weg

Großes Tamm-Tamm bei den italienisch-deutschen Regierungskonsultationen: Die wichtigen Herrschaften Berlusconi und Schröder besalzen im Rathaus die große, internationale Politik, während Bremens kleine Welt Kopf steht

taz ■ Berlusconi war in Bremen. Schröder auch. Zwar nur für ein paar Stunden und nicht bis morgen Mittag, wie es bis vorgestern Abend um 20 Uhr noch geheißen hatte. Das Tamm-Tamm aber fand trotzdem statt.

Zwanzig vor eins: Die Zeiger der Domuhren sind trotz Staatsbesuchs noch nicht ins Stocken geraten. Auch die Straßenbahn fährt noch über den Marktplatz, allerdings mit leichter Schlagseite, weil alle Fahrgäste am Fenster kleben und auf den Domshof starren.

Dabei ist dort um diese Zeit noch gar nicht so viel zu sehen. Noch ist Marktbetrieb, allerdings hinter Absperrgittern: Die stehen schon dort bereit, wo sie später den Zugang zum Domshof und Marktplatz verstellen sollen.

Der rote Teppich auf den Stufen zum Rathaus wird noch von einer Plastikplane verdeckt und auch von den angekündigten Hundertschaften der Polizei sind bisher nur ein Dutzend Mannschaftswagen zu sehen. Eine sehr aufgeräumt wirkende Gruppe junger Polizisten bereitet sich auf ihren Einsatz vor: „Wir schützen Berlusconi – und wer schützt uns vor Berlusconi?“, sagt einer. Alle lachen.

An der Nordseite des Doms stehen schwarze Mercedesse mit Berliner Kennzeichen – auf manchen Autodächern klebt ein Blaulicht. Zwischen Dom und Schütting laufen Männer in langen schwarzen Flanellmänteln und Trenchcoats hin und her, immer zu dritt oder zu viert, immer wichtig, immer ohne Frauen und ohne erkennbares Ziel: die Lage checken. Die italienischen Checker sind schon zu erkennen, bevor sie den Mund aufmachen: Sie tragen als einzige schwarze und blaue Wollmützen.

In einer Seitenstraße schleicht Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) mit bekümmerter Miene Richtung Marktplatz, keine italienische Flagge am Revers. Auch die Geschäfte haben sich nicht mit Jubelinventar geschmückt. Von den 350 angekündigten Reportern aus aller Welt ist noch nicht viel zu sehen, niemand filmt Rathaus und Roland, nur Radio Bremen hat sich schon jetzt direkt vor dem Rathaus mit einem Übertragungs-Brummi breit gemacht. Im Pressezentrum am Kapitel 8 schreit niemand hektisch ins Handy. Nur ein einzelner italienischer Reporter mit einem Kameramann brüllt sehr aufgeregt etwas über „Berlusconi“ und „Brema“ ins Mikrofon, so laut, dass man es wahrscheinlich bis Hemelingen hören kann.

Zwei Stunden später: Die Welt dreht sich immer noch, auch die Straßenbahn fährt noch über den leergefegten Marktplatz. Drinnen fühlt sich eine Frau wie im Prager Ghetto, ein Mann sagt, er komme sich vor wie ein Grenzgänger. Dafür gibt es endlich mehr zu gucken zwischen Dom und Rathaus: Sprengstoffhunde suchen die beiden Reisebusse ab, mit denen die italienische Delegation vom Flughafen abgeholt werden soll.

Ein Verkehrspolizist wollte eigentlich den Verkehr regeln, aber die Einsatzwagen fahren alle irgendwie auf den Domshof und verstellen sich gegenseitig den Weg. Auf dem Markplatz umkreisen Einsatzfahrzeuge eine Schulklasse, die noch schnell an Roland und Rathaus vorbeigescheucht wird.

Und da! Kamerateams! Eins, zwei, drei, vier ... laufen suchend hin und her, aber niemand interessiert sich für das Rathaus, über dem immerhin die italienische Flagge weht. Mittlerweile sind mehr PolizistInnen als PassantInnen unterwegs. Einer stolpert über ein Kamerakabel, andere lassen sich kopschüttelnd durch die noch offenen Straßensperren führen.

Kurz vor drei: Action. Niemand kommt mehr durch die Absperrung in der Obernstraße und am Kontorhaus. Auch die anderen Straßen sind dicht. Die letzten Neugierigen werden vom Marktplatz gefegt.

Noch einmal zwei Stunden später: Die Wasserwerfer auf der Bürgerweide sind in die Innenstadt abgerückt, vor dem Bahnhof frieren die Demonstranten im Regen.

Ach ja, Berlusconi und Schröder waren auch in Bremen.

Eiken Bruhn