Die Selbstsanierer

Betriebsrat gegen Gewerkschaftler bei Steilmann

Ruhr taz ■ Es war nur eine kleine Szene, am Anfang der Betriebsversammlung des Wattenscheider Modekonzerns Steilmann. Ludger Hinse, IG Metall-Sekretär, war unzufrieden mit dem ihm zugewiesenen Platz auf dem Podium. Hinter den Betriebsrat und die Geschäftsführung, in die letzte Reihe – dahin wollte Hinse nicht. Da setzte er sich lieber ins Publikum.

Lediglich eine Randnotiz einer Betriebsversammlung, bei der über die Zukunft des schwer angeschlagenen Modekonzerns informiert und diskutiert werden sollte. Aber für den weiteren Verlauf des Vormittags im Herner Kulturzentrum war diese Notiz symptomatisch: Hier ging es nur am Rand um die Zukunft von Arbeitsplätzen. Es ging erst einmal um Eitelkeiten. Um Profilierung und Selbstdarstellung von Betriebsrat und Geschäftsführung auf der einen, Gewerkschaftsvertretern auf der anderen Seite. Beide Fraktionen hatten sich seit der öffentlichen Diskussion der aktuellen Probleme zerstritten, drohen sich derzeit mit Klagen und Gegenklagen. Die betroffenen TextilarbeiterInnen durften dann an einer Inszenierung teilnehmen. Zu hören gab es genug: Der geplante Arbeitsplatzabbau von rund 480 Stellen werde abgemildert, „lediglich“ 320 Stellen fielen dem Sparkurs zum Opfer. Der sei nötig geworden, nachdem im vergangenen August die Geschäftsführung gewechselt habe und “hinter jedem umgedrehten Stein eine schwarze Kröte aufgetaucht ist“, wie Rüdiger Knaup, Geschäftsführer und damit Nachfolger der Unternehmertochter Britta Steilmann, sagte. Das Unternehmen ist mit 30 Millionen Euro im Soll. Ein neues Konzept soll die Wende bringen. Eine Wende, deren Erfolg mit vielen Fragezeichen versehen ist. Denn der Aufruf von Gewerkschafter Hinse an die von der Stellenkürzung betroffenen Arbeitnehmer, gegen den mageren Sozialplan zu klagen, könnte das Unternehmen in Bedrängnis bringen. Die Gehälter müssten bis zu einer juristischen Klärung eingefroren werden. Bei der dünnen Finanzdecke des Unternehmens könne das Steilmann den Rest geben, sagten Betriebsrat und Geschäftsführung unisono. Bertriebsrat Bukowski: „Mit der Not der Einen wird hier die Zukunft der Anderen zerschlagen.“ Hinse entgegnete ihm: “Ungeheuerlich, dass die Menschen, die sich gegen ihre Kündigung wehren, für den Konkurs verantwortlich gemacht werden.“

Das war der Startschuss zu einem Streit mit Vorwürfen und Gegenvorwürfen, Behauptungen und Gegendarstellungen. Schlussendlich wurden dann vertrauliche E-Mails veröffentlicht, um die Argumentation der Gegenseite zu zerstören. Fazit eines Arbeitnehmers: „Jeder, der seinen Kopf nicht nur zum Haare waschen benutzt, hat gesehen, dass hier und heute lediglich Profilneurosen befriedigt wurden. Erklärendes habe ich nicht gehört.“ Tobias Großekämper