Unfälle sind mit einkalkuliert

Beim Erörterungstermin zum Ausbau des Gürtels im Kölner Norden verteidigen Vertreter der Stadt die autogerechte Planung. Gegner befürchten, Fußgänger und Radfahrer kämen unter die Räder

VON JÜRGEN SCHÖN

„Ich habe Angst um meine Kinder, die dort zur Schule gehen. Keine der Kreuzungen ist sicher!“, empörte sich Andreas Schmidt, als gestern bei der Bezirksregierung in Köln die Bürgereinsprüche gegen den geplanten Gürtelausbau zwischen Merheimer Straße und Boltensternstraße geprüft wurden. Und ein anderer Nippeser unterstützte Schmidt. Der Mann schwang seinen Gehstock in Richtung des städtischen Vertreters und rief, ohne ans Mikrophon zu gehen: „Gehen Sie mal mit mir über eine Kreuzung, dann sehen Sie, was Menschen brauchen!“

Die Atmosphäre im Sitzungssaal in der zweiten Etage war spannungsgeladen. Und Klaus Harzendorf, Leiter des Amts für Straßen- und Verkehrstechnik, tat der Stadt als Antragsteller für das Bauvorhaben keinen Gefallen, als er sagte: „In einer Millionenstadt wie Köln lassen sich Unfälle nicht vermeiden. Es kommt immer darauf an, dass die Verkehrsregeln beachtet werden.“ Ein Argument, das die rund 60 anwesenden Bürgerinnen und Bürger, die ihre Einwände vertraten, für Sekunden sprachlos machte. Insgesamt hatte es 300 Einwände gegen das 20-Millionen Euro-Projekt gegeben.

Hauptpunkt der Kritik war, dass für die Planung zwar „jeder Auspuff gezählt“ wurde, wie Günter Isemeyer, Sprecher der Bürgerinitiative „Stoppt den Gürtelausbau“ sagte, nicht aber Fußgänger und Radfahrer. Die Fußgänger „werden zu kilometerlangen Hindernisläufen gezwungen“, formulierte eine Bürgerin und ein anderer beklagte, dass es bald keine direkten Verbindungen mehr für Radfahrer zwischen den Stadtteilen im Norden und Süden der Gürtelautobahn gebe. „Der Gürtelausbau sollte den Bürgern von Weidenpesch und Nippes dienen, stattdessen dient er nur dem Durchgangsverkehr“, hieß es aus dem Publikum. Viele beantragten deswegen, zur Sicherheitsfrage an den Kreuzungen ein externes Gutachten zu bestellen. Ein Wunsch, den die zuständige Dezernentin in der Bezirksregierung, Ulrike Töppig, denn auch ins Protokoll aufnehmen ließ.

Weitere Kritik richtete sich gegen die zu erwartende Mehrbelastung durch Verkehrslärm, die selbst ein Gutachten prognostiziert, das die Stadt in Auftrag gegeben hat. Eine Prognose, die Harzendorf wiederholt bestritt. Trotzdem versprach er schalldämmende Fenster auf Stadtkosten und Lärmschutzwände – und die gleich bis zu vier Meter hoch. „Schöne Aussichten für die, die Parterre und im 1. Stock wohnen“, kommentierte Isemeyer.

Er warf der Stadt auch vor, mit falschen und widersprüchlichen Zahlen zu argumentieren und die Gutachten und Pläne der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Keinesfalls könne mit einer Entlastung anliegender Stadtteile gerechnet werden, eher sei mit einer Zunahme des Verkehrs zu rechnen, zumal sich neue Schleichwege etwa zu den Fordwerken ergeben würden. Deshalb müsse ein neues Gutachten einen größeren Verkehrsraum untersuchen. Die Bezirksregierung wird die Einwände überprüfen und dann entscheiden, ob und wie die Stadt bauen darf.