Wie das dritte Tor von Wembley

Gastgeber Südafrika verrechnet sich bei der Cricket-WM – und scheidet aus

BERLIN taz ■ Heute beginnt in Südafrika die Endrunde der Cricket-WM. Doch das kurioseste Match, seit bei diesem ohnehin sehr kuriosen Spiel mit Hartholzkeulen Hartlederbälle über riesige Spielfelder geprügelt werden, haben alle am späten Montag in Durban beim Vorrunden-Duell zwischen Sri Lanka und Südafrika erlebt. Da vereinten sich spieleigene Exzentrik, ausufernde Zahlenkolonnen und vor allem die Allmacht des Wetters zu einer absurden Melange der Hochdramatik. Noch Tage danach war bei Südafrikas Teamchef „der schiere Unglauben“ nicht gewichen. Ein Kommentator schrieb, die Nacht von Durban werde „sicher so endlos debattiert werden wie das dritte Tor von Wembley“.

Südafrika musste gewinnen, um in die Endrunde einzuziehen. Es war äußerst knapp und begann kurz vor Schluss zu nieseln. Für diesen Störungsfall haben die Erfinder des Spiels im verregneten Lords bei London schon vor Jahrhunderten Vorkehrung getroffen: Die Regeln, die im gehuldigten Britensport Gesetzeswert haben („Laws of Cricket“), beinhalten für Spielabbrüche gigantische Zahlenkolonnen („Duckworth-Lewis-Listen“), nach denen alle denkbaren Zwischenstände hochgerechnet werden und ermittelt wird, ob es einen Sieger gibt oder ein Remis.

Die letzten beiden Bälle waren das schiere Chaos. Südafrikas Batsman prügelte eine euphorisch gefeierte Sechs. Das bedeutete in der Summe 229 Runs und schien zu reichen. Den letzten Ball blockte er nur ab. Das Spiel wurde unterbrochen. Südafrika jubelte. Dann Hektik und der Schreck: genau ein Run fehlte, der leicht zu schaffen gewesen wäre mit dem letzten Ball. Wetter, hilf! Nein: Abbruch 45 Minuten später. Neuseeland profitierte als lachender Dritter und jubelte über den zufälligen Endrundeneinzug: „Vorsehung, Schicksal, unheimliches Drama“ stammelte Altstar Chris Cairns.

Für Südafrika ist es die Zeit des Konjunktivs geblieben: Hätten die Spieler doch nur die Listen-Stapel in der Tasche gehabt (Was die schon qualifizierten Sri Lanker hatten), hätten sie doch nur ehrenamtliche Wetterwarte rund um das Stadion postiert. Zudem: Wäre der Regen genau einen Ball früher gekommen, hätten 229 Runs gereicht. Weltweit werden die Südafrikaner seitdem verhöhnt ob ihrer Leseschwäche. Auch Australiens Kapitän grinste: „Ein breakdown of communication, der im Profisport nicht passieren darf.“ Der Titelfavorit, der bislang alle Spiele locker gewann, sah den härtesten Widersacher gescheitert.

Ansonsten sind nicht nur Spielerfinder England, sondern auch Pakistan und Ex-Champion West Indies ausgeschieden. Stattdessen mischen die Cricket-Nobodies Kenia und Simbabwe weiter mit. Simbabwe liefert dabei die Neben-Schlagzeilen. Deren Spieler Flowers und Olongo hatten im ersten Match aus Protest gegen ihren Diktator Mugabe schwarze Armbänder getragen und „den Tod der Demokratie in unserem geliebten Simbabwe“ beklagt. Der Cricket-Weltverband verbat die Armbänder. Flowers akzeptierte – und trug im nächsten Spiel schwarze Manschetten. Olongo, der erste Schwarze im Nationalteam, wurde aus seinem Heimatclub ausgeschlossen und nicht mehr aufgestellt. Flowers flog nur deshalb nicht aus dem Team, weil die Kollegen mit Boykott drohten.

Neuseeland, eben noch gedemütigt durch das 0:5 seiner Segelhelden beim America’s Cup, hatte sich mit dem Regen von Durban augenblicklich wieder mit dem Element Wasser versöhnt und spielt morgen gegen Simbabwe. BERND MÜLLENDER