sozialticket
: Sparzwänge und Hilfsargumente

Der rot-rote Streit um das Sozialticket gibt Einblicke, wie es innerhalb von SPD und PDS und ihrer Hauptstadtkoalition aussieht. Aber darüber hinaus ist er lehrreich: Beispielhaft zeigt er, wie linke Politik aussieht in einer Gesellschaft, deren materielle Grundlagen schrumpfen.

KOMMENTAR VON ROBIN ALEXANDER

Das Sozialticket ist nicht abgeschafft worden, weil irgendjemand wirklich etwas dagegen hätte, dass die Busfahrten armer Leute subventioniert werden. Der Grund war ganz profan: Bei der letzten Runde im Kürzungspoker musste auch etwas aus dem Sozialetat weg. Die Fahrkarte traf es eher zufällig.

Der Beschluss ging den Argumenten voraus: Erst als das Sozialticket schon gestrichen war, fiel Peter Strieder ein, dass Stützebezieher in der U-Bahn vielleicht einen schlecht verdienenden Malocher demotivieren könnten. Strieder versucht die Mischung aus Sparzwängen und Hilfsargumenten als moderne Sozialdemokratie zu verkaufen. Was bleibt ihm übrig: Früher bekamen kleine Leute mehr, wenn die Wirtschaft wuchs oder der Staat umverteilte. Heute – ohne Wachstum – muss man den Leuten eben erklären, dass weniger mehr ist.

Klaus Wowereit hingegen sind programmatische Fragen so egal, wie wenn in China ein Sack Reis um- oder in Berlin ein Sozialticket wegfällt. Er sorgt sich allein um die Macht. In diesem Fall darum, dass der Senat einmal gefasste Beschlüsse durchsetzt – gegen äußere Widerstände ebenso wie gegen innere Zweifel.

Und die PDS? Hat die eigentlich klassische sozialdemokratische Rolle übernommen: an die kleinen Leute denken, die eben nicht nur aktiviert, sondern – soll es gerecht zugehen in einem ungerechten Wirtschaftssystem – vom Staat auch ein Stück weit alimentiert werden müssen. Heute kann die PDS, wenn sie es clever anstellt, ein Sozialticket retten, morgen schon könnte auch sie der Versuchung erliegen, den Leuten zu erzählen, dass weniger in Wirklichkeit mehr sei.