Alles Gute, Willi Bendzko!

Ich kam aus dem Osten und brauchte eine Wohnung. Da las ich etwas über einen „Immobilien-King“ – aus dem Osten

Am Wochenende las ich einen Zeitungsartikel über den 65. Geburtstag von Willi Bendzko, einen der größten Immobilienmakler Deutschlands. Er residiert am noblen Kurfürstendamm in Berlin und gilt als der „Vater der Eigentumswohnung“. Im Osten gab es so was ja nicht. Da gehörte alles allen. Beim Lesen des Artikels hatte ich das Gefühl, von einem alten Bekannten zu hören. Das liegt daran, dass der Bendzko und ich einige Zeit nach dem Mauerfall eine Korrespondenz miteinander hatten.

Ich war damals, im Sommer 1991, mit meiner Wohnsituation in Westberlin gar nicht zufrieden. Der Markt war zu der Zeit sehr angespannt, wie es so schön heißt, und mein damaliger Freund und ich mussten mit einer Wohnung mit furchtbarem Teppichboden, Holzdecken und einem grässlichen Hochbett vorlieb nehmen. Schlimmer als im Osten, so dass ich mich jeden Tag fragte, wieso ich im Herbst 1989 auf die Straße gegangen war.

Da traf es sich gut, dass ich zu dieser Zeit die Sekretärin des damaligen stellvertretenden Chefredakteurs des Tagesspiegel war. Nicht ausgelastet mit Kaffeekochen, hatte ich Zeit und Muße, alle möglichen Westpublikationen zu lesen. So auch die Bunte. Da war ein Artikel über Bendzko drin. Auf einem Foto wedelte er mit 1.000-Mark-Scheinen, und in der Unterzeile hieß es: „Der aus dem Osten kam. Willy Bendzko, Immobilien-King. Besitzt 13.000 Wohnungen, kam 1961 (Mauerbau) von drüben.“

Ich kam ja auch von drüben und dachte ich mir, das verbindet. So spannte ich einen Kopfbogen mit dem Aufdruck „Der Tagesspiegel, Chefredaktion“ in die Schreibmaschine. Darauf hatte ich das Foto mit der Unterzeile aus der Bunten kopiert.

Ich habe noch eine Kopie von dem Schreiben. Es zeigt den unbeholfenen Versuch einer ehemals sozialistischen Persönlichkeit, im Westen eine halbwegs anständige Wohnung zu finden. „Sehr geehrter Herr Bendzko!“, fing ich meinen Brief an. „Beim Tagesspiegel arbeiten und Bunte lesen. Ob das geht? Aber sicher. Man will ja auf dem Laufenden sein.“ Dann kam ich endlich auf den Punkt: „Sie sind zu beneiden! 13.000 Wohnungen!! Wäre darunter vielleicht eine für mich? Ich war wirklich sehr beeindruckt, als ich den kleinen Artikel las.“

Gleich am nächsten Tag bekam ich eine Antwort gefaxt. „Sehr geehrte Frau Bollwahn“, hieß es da. „Vermutlich waren wir bei der Lektüre der aktuellen Bunte-Ausgabe noch mehr beeindruckt als Sie“, schrieb die Bendzko-Geschäftsleitung. „An dem Artikel stimmt nämlich nicht einmal die Schreibweise des Inhabernamens.“ Das Klatschblatt hatte aus dem Willi einen Willy gemacht. Und auch sonst ziemlich daneben gehauen. „Es wurde keineswegs mit dem Eigentum an 13.000 Wohnungen kokettiert, sondern diese Zahl wurde lediglich als Antwort auf die Frage nach den in der Verwaltung befindlichen Eigentumswohnungen genannt.“ Das sei von der Bunten „bewusst verfälscht worden.

Weiter erfuhr ich, dass das lustige Foto mit den Geldscheinen eine Montage war. So bekam ich eine Gratislektion in Sachen unseriöser Journalismus. Dabei wollte ich nur eine Wohnung. Zum Schluss kam dann der entscheidende Satz: „Zu Ihrem persönlichen Anliegen müssen wir leider bemerken, dass wir uns ausschließlich mit der Vermittlung von Eigentumsimmobilien beschäftigen.“

Auch wenn mir Herr Bendzko damals kein Dach über dem Kopf besorgen konnte, wünsche ich ihm alles Gute zum Geburtstag. Denn wenn er sich damals von dem Tagesspiegel-Chefredaktions-Anschreiben hätte beeindrucken lassen, hätte ich nicht meine erste Multikulti-Erfahrung machen dürfen. Nachdem ich mich von meinem Freund getrennt hatte, fand ich eine Bleibe in Kreuzberg. Neben meinem Schlafzimmer war die Küche einer türkischen Großfamilie, die immer schon in aller Frühe putzmunter und lautstark zu Tische war. Anfangs traute ich mich nicht, doch nach einigen Wochen hatte ich es satt. Ich pochte gegen die Wand und brüllte „Ruuuhe!!“. Die Antwort kam prompt und in gebrochenem Deutsch. „Du aufstehn! Schon sieben Uhr!“