Gardinen zu, gute Nacht

Am zweiten Tag der Australian Open haben sich bereits sieben von neun Mitgliedern der deutschen Tennis-Delegation aus dem Turnier verabschiedet. Nur Anca Barna und Florian Mayer sind weiter

AUS MELBOURNE DORIS HENKEL

Zuerst verloren Rainer Schüttler, Thomas Behrend, Lars Burgsmüller und Angelika Bachmann, dann folgten gestern Nicolas Kiefer, Alexander Popp und Marlene Weingärtner, und schon am zweiten Tag der Australian Open sah es so aus, als senke sich pechschwarze Dunkelheit über das deutsche Tennis. Gardinen zu, gute Nacht. „Was bisher gelaufen ist, kann man einfach nicht in Worte fassen“, klagte Beobachter Patrik Kühnen und versicherte glaubhaft, es mache dieser Tage nicht allzu viel Spaß, als deutscher Teamchef in Melbourne über die Anlage zu laufen. Doch kaum hatte er das gesagt, gewann ein schmaler, fränkischer Jüngling auf dünnen Beinen vom Weltranglisten-Platz 219 gegen einen 17 Jahre alten Franzosen von Position 97, und in der Nacht erschien ein kleines Licht. Florian Mayer aus Bayreuth, 20 Jahre alt und Qualifikant, konnte den allgemeinen Frust über die Niederlagen der Kollegen nicht aus der Welt schaffen, und doch war sein Sieg ein tröstlicher Sieg.

Auf dem Platz nebenan hatte Nicolas Kiefer gegen den Italiener Filippo Volandri verloren – in einer Partie, die Kiefer wieder grausam vor Augen führte, dass die besten Schläge im Training nichts nützen, solange ihn im Spiel in entscheidenden Situationen der Mut verlässt. Vor dem Turnier dachte er, es sei Besserung in Sicht, nun steht er wieder mit leeren Händen da, und ratlos verschwand er in der Dunkelheit.

Dass am Morgen Anca Barna nach Abwehr eines Matchballes als einzige der drei deutschen Frauen gewonnen hatte, wurde für die Statistik festgehalten. Ebenso, dass die sich nun kurioserweise exakt auf dem gleichen Weg wie vor einem Jahr befindet mit der Amerikanerin Lisa Raymond als Gegnerin in Runde zwei und aller Wahrscheinlichkeit nach mit der zurückgekehrten Venus Williams in Runde drei. Barna und Mayer und sonst niemand – nur zwei in Runde zwei und damit die schlechteste Bilanz deutscher Tennisspieler in Australien seit 25 Jahren.

Selbst Mayer, der sich zum ersten Mal für ein Grand-Slam-Turnier qualifizierte, meinte, das sei ziemlich traurig. Er selbst tat, was er tun konnte, und das auf eine Art, die vorsichtige Hoffnung keimen lässt, dieser Jüngling sei vielleicht ein anderer Typ als die deutschen Nachwuchsspieler der vergangenen Jahre. Privat lieb und nett und etwas zurückhaltend, wie ihn B-Kader-Trainer Ulf Fischer beschreibt, der seit fast zwei Jahren mit ihm arbeitet, auf dem Platz entschlossen, gewitzt und unberechenbar mit einer Technik, die nicht im Buche steht. Mit einer eingesprungenen Rückhand nach dem Muster des Marcelo Rios als Markenzeichen.

Seit Mayer vor zwei Jahren die Schule verlassen hat und im Leistungszentrum des Bayerischen Tennisverbandes in Oberhaching trainiert, ist er immer zielstrebiger in seinen Bemühungen geworden. Zu Beginn, sagt Fischer, habe er den guten Florian noch antreiben müssen, aber längst stehe für ihn fest: „Er liebt Tennis, er macht alles dafür. Es ist das Größte und Schönste für ihn.“ Der Jüngling sagt, das könne man so stehen lassen.

Die Qualifikation fürs Hauptfeld in Melbourne und der Sieg gegen den viel gelobten französischen Teenager Richard Gasquet in Runde eins führten ihn immerhin schon auf Position 170 der Weltrangliste. Der erste Sieg bei einem großen Turnier hat die Lücken in der strapazierten Reisekasse des Duos Mayer/Fischer mit rund 17.000 Euro erst mal erfreulich aufgefüllt, aber nach Lage der Dinge dürfte es das dann auch gewesen sein. Denn in der zweiten Runde wird Florian Mayer am Donnerstag gegen David Nalbandian spielen, der vergangene Woche beim Einladungsturnier in Kooyong die Herren Roddick und Agassi besiegte und seitdem als einer der Favoriten in Melbourne gilt. „So wie der Florian hier bis jetzt gespielt hat, ist es fast ein bisschen schade“, findet Fischer, „aber eine Chance gibt es immer.“ Florian Mayer erklärt, er wolle Spaß haben auf dem Platz. „Und dass Nalbandian alles geben muss, um mich zu schlagen.“ Klingt gut, am Tag wie in der Nacht.