Schwarze Flecken auf weißer Weste

Wenn Bundeskanzler Schröder heute in Südafrika die längste Etappe seiner Afrikareise antritt, wird er das kulturelle und soziale Engagement deutscher Unternehmen am Kap loben. Doch weiterhin klagen in den USA Opfer der Apartheid gegen Deutsche

„Die Deutschen verlassen sich darauf, dass die Südafrikaner uninformiert sind“

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder morgen nach Südafrika kommt, sind in seinem Programm auch 45 Minuten für eine Pressekonferenz der Firma DaimlerChrysler im Kunstmuseum in Pretoria vorgesehen. Dabei wird Firmenchef Jürgen Schrempp über die Förderung von Kunst und Kultur sprechen und auch über das soziale Engagement seines Unternehmens wie Schulbau und Aidsprogramme. Das reicht vielen Opfern der Apartheid nicht, die DaimlerChrysler zusammen mit anderen Firmen auf Entschädigung wegen Kooperation mit dem Apartheidregime verklagen.

Neben DaimlerChrysler geht es unter anderem um die drei deutschen Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank, die US-Computerfirma IBM sowie die Barclays Bank und mehrere Ölfirmen. Ihnen wird unrechtmäßige Bereicherung vorgeworfen. Es gibt zwei getrennte Klagen, die beide im November von US-Richtern vertagt wurden, bis über ihre Zulässigkeit entschieden ist.

Eine Klage hat der US-Anwalt Michael Hausfeld im Auftrag des südafrikanischen Opferverbands „Khulumani“ angestrengt, der 33.000 Mitglieder hat; 5.000 weitere Menschen haben die ursprünglich von 89 Einzelpersonen eingereichte Sammelklage unterzeichnet. Die andere hat der wegen seiner Rolle in Prozessen um die Entschädigung von Holocaust-Opfern umstrittene US-Anwalt Ed Fagan im Namen einer anderen Klägergemeinschaft eingeleitet, geführt vom früheren Beisitzenden der südafrikanischen Wahrheitskommission, Dumisa Ntsebeza. Diese Klägergemeinschaft hat Fagan inzwischen gefeuert: Fagan habe überall sein wollen, jedoch nicht in seinem Büro, sagte Ntsebeza. „Er hat nicht eine einzige Zeile zu den Papieren hinzugefügt, die wir angefertigt haben.“

Die Fagan-Klage fordert Entschädigungen von mehreren hundert Milliarden US-Dollar, die in einen Fonds eingezahlt werden sollen. Die Khulumani-Klage hingegen will das Gericht über die Höhe der Entschädigungen entscheiden lassen.

„All die angeklagten Firmen zählten während der Apartheid zu einem so genannten Verteidigungskomitee, das Pläne gegen Proteste im Lande aufstellte“, erläutert Khulumani-Direktor Ike Tlholwe. „Die deutschen Firmen verstecken sich in der Verteidigung hinter den US-Unternehmen. Sie argumentieren, zur Apartheidzeit eine Politik der ‚konstruktiven Arbeit‘ mit der Regierung betrieben zu haben.“ Doch hätten sie gemeinsame Sache mit den Apartheid-Schergen gemacht – Waffenverkäufe, Herstellung von gepanzerten Fahrzeugen, Kreditvergabe. „Die Deutschen verlassen sich darauf, dass die Mehrheit der Südafrikaner uninformiert ist über ihre Rechte und sich daher nicht einschalten wird“, sagt Tlholwe.

Südafrikas Regierung sind die Klagen ein Dorn im Auge, fürchtet sie doch um den guten Willen ausländischer Investoren. Selbst Hlengiwe Mkhize, ehemalige Vorsitzende des Reparationskomitees in der Wahrheitskommission, lehnt die Klagen ab. Doch die Opferverbände kritisieren, dass Südafrikas Regierung nach der mehrjährigen Arbeit der Wahrheitskommission kaum etwas für die 21.000 angehörten Opfer getan hat, während Täter Amnestie erhielten.

Einige vorübergehende Zahlungen in geringer Höhe waren 1999 erfolgt. Später empfahl das Reparationskomitee, dass die Regierung jedem Opfer 23.000 Rand pro Jahr (rund 2.500 Euro) über 6 Jahre zahlt. Präsident Thabo Mbeki beschloss stattdessen eine einmalige Zahlung von 30.000 Rand pro Opfer (rund 3.300 Euro). Damit ist Khulumani unzufrieden: Allein eine Identifizierung und Grabverlagerung koste die Hinterbliebenen eines Ermordeten 80.000 Rand, hieß es. Bis Ende 2003 erhielten etwa 9.000 Personen die Entschädigung; 4.000 Zahlungen kamen zurück, weil die Empfänger kein Konto hatten oder nicht auffindbar waren. Eine einmalige Vermögenssteuer für Firmen, um daraus Entschädigungen zu zahlen, hat die Regierung ebenfalls abgelehnt. Ein freiwilliger „Business Trust“ enthält nun eine Milliarde Rand Spendengelder für Rehabilitationsprogramme.

Doch auch die Regierung hat Verbündete. „Es ist nicht wahr, dass die Regierung nichts tut – es gibt viele Programme zur Unterstützung der Opfer“, sagt Molefe Tsele, Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrats SACC. „Wir sind gegen Gerichtsprozesse, in denen Anwälte profitieren.“ Khulumani ist überrascht, denn die Gruppe hatte in der Vorbereitung ihrer Klage mit dem SACC zusammengearbeitet. Doch der frühere SACC-Generalsekretär Frank Chikane arbeitet heute im Präsidentenbüro.