Ein Debakel für die iranischen Reformer

Bei den Kommunalwahlen blieb die Mehrheit zu Hause. Die in Chatami gesetzten Hoffnungen wurden nicht erfüllt

BERLIN taz ■ Die Wahl war ein Debakel. Zwar hatten sämtliche Prognosen für die landesweiten Kommunalwahlen in Iran eine niedrige Wahlbeteiligung vorausgesagt, dass sie aber so katastrophal ausfallen würden, war überraschend. Am schlimmsten war es in der Hauptstadt und in Großstädten. In Teheran lag die Wahlbeteiligung bei 14 Prozent, landesweit bei 25 bis 30 Prozent. Die größten Verluste mussten die Reformer einstecken. Im Gegensatz zu den Wahlen vor vier Jahren, wo sie einen triumphalen Sieg errangen, konnten sie dieses Mal in den wichtigsten Stadt- und Gemeinderäten keinen einzigen Sitz erobern – auch nicht in Teheran, wo ihr Spitzenkandidat antrat.

Etwa zehn Tage vor der Wahl stellte sich in Teheran eine Gruppe vor, die sich als „Abadgaran“ (Aufbauende) bezeichnete. Ihre Mitglieder, zum Teil als extrem konservativ bekannt, behaupten, sie seien völlig unabhängig. Hinter dieser Initiative wird Exstaatspräsident Rafsandschani vermutet. Es wird gemunkelt, dass Rafsandschani, der als einer der mächtigsten Politiker des Landes gilt, sein Comeback vorbereitet. Doch die Frage ist, ob die Konservativen über das Wahlergebnis glücklich sein können. Ihren Sieg verdanken sie einer allgemeinen Verweigerung.

Zu Hause blieben vor allem diejenigen, die vor drei Jahren den Reformern zu einer Mehrheit im Parlament und vor zwei Jahren Präsident Chatami bei seiner Wiederwahl zu einem großen Sieg verholfen hatten. Die Minderheit, die an der Wahl teilgenommen hat, bildet zum größten Teil die Basis der Islamisten. Dabei hatten gerade die Konservativen alle Mittel eingesetzt, um die Bevölkerung von der Teilnahme an der Wahl abzuhalten. Die niedrige Wahlbeteiligung sollte den Nachweis erbringen, dass die Reformbewegung versagt und ihre Basis im Volk verloren hat. Revolutionsführer Chamenei forderte zwar am Wahltag die Menschen auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, erklärte aber gleichzeitig, dass manche Gemeinde- und Stadträte die Menschen enttäuscht hätten. Zudem habe er gehört, dass den zuständigen Gremien bei der Feststellung der Eignung der Kandidaten Fehler unterlaufen seien. Sollten die falschen Kandidaten gewählt werden, sei ihre Wahl ungültig.

Die Reformer gaben ihre Niederlage zu. Der Parlamentsabgeordnete Ali Schakuri Rad, einer ihrer profiliertesten Wortführer, sagte: „Wenn sich eine riesige Mehrheit weigert, an der Wahl teilzunehmen, hat sie den Glauben an Wahlen verloren. Entweder sind wir imstande, die richtigen Lehren daraus zu ziehen, oder wir sind verloren.“

Die geringe Wahlbeteiligung zeigt, dass die Hoffnungen, die mit der Wahl Chatamis erweckt wurden, zunichte gemacht worden sind. Die totale Blockade der Reformversuche durch die Konservativen, der Mangel an Durchsetzungsvermögen bei den Reformern und die Ausweglosigkeit, in die das Land geraten ist, haben zu einer offensichtlichen Absage an den Gottesstaat geführt. BAHMAN NIRUMAND