Datenwut der Firmen gefährdet Kunden

Die Deutschen kaufen im Internet und hinterlassen dabei allzu sorglos Datenspuren, warnen Verbraucherschützer

BERLIN taz ■ Die Deutschen gehen beim Einkauf zu nachlässig mit ihren Daten um und riskieren dadurch wirtschaftliche Nachteile. Darauf wiesen gestern die Verbraucherschützerin Edda Müller und der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Helmut Bäumler bei der Vorstellung ihrer 167-seitigen Datenschutzfibel hin. Die Kunden sollten „nicht warten, bis ihnen ein Miet-, ein Handyvertrag verweigert wird, bis ihnen vielleicht ein Kredit oder die Einreise in die USA verwehrt wird“, warnt Bäumler. Meistens meldeten sich bei ihm die Bürger erst dann, wenn es bereits zu spät sei.

Der Kauf im Internet und die Begeisterung für Kundenkarten geben den Firmen immer mehr vertrauliche Daten an die Hand. „Wir beobachten ein explosionsartiges Anwachsen des Sammelns von Kundendaten“, sagt Edda Müller, Chefin des Verbandes der Verbraucherzentralen vzbv. „Eine Kontrolle ist praktisch unmöglich.“

So horteten etwa Lebens- oder Krankenversicherungen Daten über Krankheiten – auch wenn es gar nicht zum Vertragsabschluss kommt. Im Internet würden regelmäßig Registrierungsdaten erhoben, die „oft überflüssig“ für den vorgegebenen Zweck seien. Der vzbv hat jeden zweiten von 30 überprüften Internetanbietern wegen Verstößen gegen den Datenschutz abgemahnt. Darunter auch Mediamarkt, Otto, Quelle, TUI und Yahoo. Dabei ist das Bundesdatenschutzgesetz laut Bäumler ohnehin „dort, wo es drauf ankommt, immer weich formuliert“.

So verbietet das Gesetz nicht die Weitergabe von Daten, sofern Einverständnis vorliegt. Wenn also eine Firma im Vertrag unterschreiben lässt, dass die Kundendaten gemäß Gesetz behandelt werden, so dürfen sie sie weitergeben. Gern wird die Zustimmung der Kunden im „Opt out“-Verfahren eingeholt. Das heißt, der Kunde muss einen entsprechenden Passus durchstreichen oder ein Kästchen anklicken, damit alle seine Daten vertraulich bleiben. Bäumler und Müller fordern dagegen ein „Opt In“, also eine aktive Zustimmung der Kunden zur Weitergabe.

Besonders „nachlässig“ (Müller) seien die Nutzer der 22 Millionen Kundenkarten, mit denen Einkaufsprofile erstellt werden können. Bei vielen Karten gab es Studien des vzbv zufolge Verstöße gegen den Datenschutz, zum Teil „gravierende“.

Nach Einschätzung von Bäumler könnte das Bundesdatenschutzgesetz mit drei kleinen Änderungen deutlich verbessert werden. So verlangt er etwa eine klare Einwilligung der Kunden als Voraussetzung zur Datenweitergabe. Außerdem forderte er wirksame Kontrollinstrumente in den Händen der deutschen Datenschützer. Zudem könnte ein Gütesiegel für datenschutzrechtlich korrekte Firmen die Bereitschaft der Firmen deutlich erhöhen, von der Sammelwut abzulassen. Denn dann gäbe es dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil. Bisher gibt es so ein Siegel nur in Schleswig-Holstein – mit guter Resonanz, so Bäumler.

Aber auch die Kunden könnten Bäumler zufolge mit wenig Aufwand viel erreichen: So sollten sie öfter ihr Auskunftsrecht wahrnehmen und nachfragen, welche Daten über sie gespeichert sind. Sie sollten öfter mal die Antwort auf einzelne Fragen verweigern oder nach dem Sinn fragen. Und sie sollten auf jeden Vertrag handschriftlich dazuschreiben, dass sie keine Weitergabe der Daten zu nicht vertragsgemäßen Zwecken wünschen. Denn dann könnten sie bei Missbrauch ihrer Daten hinterher Schadenersatz geltend machen.

MATTHIAS URBACH

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