Bulmahn buhlt um Aufmerksamkeit

Überall, wo Kanzler und SPD erst noch hinwollen, war Bildungsministerin Edelgard Bulmahn längst da. Nur merkte es keiner. Jetzt drückt die Techno-Expertin noch mal auf die Tube – und verlangt, Bildung zwischen Bund und Ländern neu aufzuteilen

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Als vergangene Woche im Regierungsviertel wieder einmal über eine Kabinettsumbildung spekuliert wurde, war in der Hannoverschen Straße in Berlin so etwas wie ein Aufatmen zu verspüren. Im dortigen Bundesbildungsministerium jubelte man: Endlich steht die Edelgard mal nicht auf der Abschussliste.

Ist es schon ein Grund zur Freude, nicht zu den republikweit anerkannten Luschen zu gehören? Bei SPD-Ministerin Edelgard Bulmahn ist das so. Bislang schnitt sie noch bei jedem der doofen Ministerrankings von Stern oder Bild unter „ferner liefen“ oder „bitte auswechseln“ ab. Das ist kreuzungerecht, denn es gibt wenige Bundesminister, die in ihrem Feld so kompetent sind wie die Tochter einer Friseurin und eines Binnenschiffers. Bulmahns Problem ist das der fleißigen Biene im mediengeilen Berliner Politikbetrieb – die Frau ist schwer verkäuflich. Solange sie hinter verschlossenen Türen mit Fachleuten diskutiert, ist die gelernte Studienrätin brillant – denn sie ist Techno-Expertin, sie kennt sich mit Pisa wie keine Zweite aus und kann Nanotechnologie erklären; tritt die Frau aber vor Fernsehkameras, verliert sie sich schnell in Details.

Damit soll jetzt Schluss sein. Bulmahn hat gestern eine sorgsam vorangekündigte Grundsatzrede an der Humboldt-Universität gehalten. Sie will damit auf den Innovationszug springen, der in den vergangenen Wochen ohne sie angefahren ist. Da sprachen plötzlich alle über Gerhard Schröders famose Idee von Elite-Unis – Bulmahn aber wurde mit der Beruhigung streikender Studis beauftragt.

Das wird sich mit der Rede von gestern kaum ändern. Denn wo Joschka Fischer über Kerneuropa und Hans Eichel über eine sagenhafte neue Steuerreform sprach, hat sich Bulmahn des most unsexy Themas „Föderalismus“ angenommen. Und brilliert mit einem entschiedenen Jein!

Ja, sagt Bulmahn laut Redemanuskript, „die deutschen Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, zusammen mit weltweit anerkannten Spitzenhochschulen zu konkurrieren“. Aber nein, setzte sie sofort nach, dass der Bund sich eine eigene Uni zulegt, um sie in die Umlaufbahnen von Harvard und Oxford zu schießen, ist für Bulmahn abwegig. „Die Idee ist absurd“, sagte sie gestern im Senatssaal der Humboldt-Uni. Wie, Frau Minister, stellen Sie sich die Veredelung von Landeshochschulen durch den Bund vor? „Ich will dazu jetzt nicht ins Detail gehen“.

Kein Wunder. Nichts ist komplizierter als der deutsche Bildungsföderalismus. Zuständig für Bildung sind prinzipiell die Länder, aber bei den Berufsschulen, bei den Hochschulen und zuletzt auch bei den Schulen hat der Bund sich außerordentliche Zuständigkeiten angeeignet – oder angemaßt, wie die Unions-Länder permanent schimpfen.

Die Neuaufteilung, die Bulmahn nun vorschlägt und dafür eine Grundgesetzänderung empfiehlt, sieht so aus: Der Hochschulbau wird den Ländern allein zugeschlagen; sie erhalten einen finanziellen Ausgleich. Der Bund will dafür Projekte „von überragendem gesamtstaatlichem Interesse“ an sich ziehen – das meint die Förderung der Spitzenforschung und -lehre, des wissenschaftlichen Nachwuchses, das Bafög und die außeruniversitäre Forschung. Am Beispiel der Elite-Uni heißt das: Der Bund hätte die Kompetenz, die Top-Fächer an den Hochschulen zusätzlich zu fördern.

Wie die Reaktion sein wird, ist abzusehen. Die SPD-Landesfürsten sagen konditioniert Ja. Die CDU/CSU wird ein klares Njet schmettern. Da wird auch Bulmahns Bonbon wenig nutzen: „Ich bin bereit, das Hochschulrahmengesetz gründlich zu entrümpeln.“ Die Union will dieses Gesetz schlicht abschaffen.