„Alles mitgemacht“

Bürgermeister Sauvigny kannte das Unrecht im NS-Staat, sagen Lokalhistoriker

von PATRIK SCHWARZ
und MARTIN TEIGELER

Den Anfang machte ein 20-jähriger Zivildienstleistender bei der Arbeiterwohlfahrt. Nachdem die Lokalpresse kommentarlos das Lob von Friedrich Merz für die Arbeit seines Großvaters als Bürgermeister „bis 1937“ wiedergegeben hatte, war es SPD-Mitglied Dirk Wiese, der im Stadtarchiv die Rede des Josef Sauvigny vom 1. Mai 1933 ausgrub.

„Mein Großvater ist kein Nationalsozialist gewesen“, sagte Merz gestern der Berliner Zeitung. Das allerdings behauptet auch niemand. Hans-Günther Bracht, Direktor des Friedrich-Spee-Gymnasiums Rüthen, ist Vorsitzender der Demokratischen Initiative e. V., die seit über 15 Jahre zur Briloner Geschichte forscht. „Ob Sauvigny Vorreiter war, ist schwer zu sagen“, meint der Lokalhistoriker, „aber zumindest hat er als Bürgermeister bis 1937 alles mitgemacht und alles gewusst, ob das Verhaftungen waren, ob das Verhöre waren, ob das Verschleppungen von Sozialdemokraten und Kommunisten in Konzentrationslager betraf.“ So heißt es etwa in der Sauerländer Zeitung vom 19. April 1933 unter der Rubrik „Verhaftungen“: „Im Laufe des gestrigen Tages fanden in Brilon umfangreiche Vernehmungen von Personen statt, die im Verdachte kommunistischer Umtriebe bezw. der Mithilfe dazu standen. Insgesamt wurden 21 Personen vernommen, von denen 15 wieder freigelassen werden konnten; 6 von den Verhafteten wurden nachmittags mit Kraftwagen in das Konzentrationslager Werl überführt. Die ganze Aktion, die von der hiesigen Landjägerei in Verbindung mit Hilfspolizeimannschaften durchgeführt wurde, verlief reibungslos.“ Von einer persönlichen Verwicklung Sauvignys in Verhaftungen ist bisher allerdings nichts bekannt.

Entlastende Indizien gibt es nur in Bezug auf die Abschiedsfeier für Sauvigny. Die Aussage in der Sauerländer Zeitung vom 2. Juli 1937, er habe zwar seit 1917 amtiert, aber „erst durch die Maßnahmen des Dritten Reiches habe die Arbeit wieder Freude gemacht“, stammt aus der Abschiedsrede des Oberstadtsekretärs, nicht wie in der taz vom Samstag, berichtet von Sauvigny selbst. Merz erklärte jetzt in der Berliner Zeitung, der Großvater habe sich frühzeitig pensionieren lassen, weil „die Nazis ihn angekotzt haben“. Bracht hält das für denkbar. Für ihn zählen die vier Jahre davor.