Beginn der Machtdemonstration im Pulverschnee

Im schweizerischen Davos tagt ab heute das Weltwirtschaftsforum. Motto der gediegenen Veranstaltung: „Sicherheit & Wohlstand“. Dabei ist die Lage alles andere als rosig

BERLIN taz ■ „Eine andere Welt ist möglich“ lautet der Slogan der Globalisierungskritiker. Die Elite aus Wirtschaft und Politik, die sich ab heute im schweizerischen Davos trifft, ist da schon konkreter. „Eine bessere Welt ist möglich“, steht auf der Website des Weltwirtschaftsforums. Doch was heißt schon besser?

Mitnichten scheint die Welt in den Vorstandsetagen so auszusehen, wie es die Rhetorik normalerweise vermuten lässt: Da wird der fehlende unternehmerische Geist der Deutschen beklagt, die Anspruchshaltung, die mangelnde Risikobereitschaft. Kurz, dass dieses Land viel zu verhätschelt ist, um sich selbst auf die Beine zu helfen. Ganz anders der diesjährige Tenor im verschneiten Davos: „Sicherheit und Wohlstand“ heißt das Thema. Als handele es sich um einen Gewerkschaftstag.

Dabei darf man von den Teilnehmern des Wirtschaftsforums getrost annehmen, dass sie nicht zu denen gehören, die sich um ihren Wohlstand Sorgen machen müssen. 2.100 Menschen werden erwartet. Mehr als 1.000 Firmen schicken Vertreter in den noblen Alpenort, meist sind es die Chefs. Sie treffen dort auf Politiker und hochrangige Mitglieder internationaler Organisationen. Alte Hasen werden dabei sein wie der UNO-Generalsekretär Kofi Annan und der Milliardär George Soros, Newcomer wie der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan und der frisch gewählte georgische Präsident Michail Saakaschwili. Einige wenige Querdenker, etwa der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, der direkt aus Bombay eintreffen soll. Und Leute, die zur Zeit im Fokus der Weltpolitik stehen wie US-Zivilverwalter Paul Bremer. Aus Deutschland fliegen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, sein Staatssekretär Alfred Tacke und Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser ein.

Trotzdem scheint auch die nach Davos reisende Einkommenselite die Sehnsucht nach mehr Sicherheit zu plagen. Bei den Treffen der letzten Jahre überwogen Pessimismus und schlechte Nachrichten. Die Bedrohung durch den Terrorismus, der Totalabsturz der Börsen, die schwache Konjunktur, die hohe Arbeitslosigkeit. Diesmal: die diversen Unternehmensskandale und Prozesse um einstige Börsenstars und Spitzenmanager. In Deutschland etwa die Habgier von Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser, der sich die Übernahme seines Unternehmens durch die britische Firma Vodafone mit 32 Millionen Euro vergolden ließ, oder die Unverfrorenheit eines Deutsche-Bank-Chefs, der solche Geschäfte als Aufsichtsrat absegnete. Zumindest Josef Ackermann fährt übrigens auch nach Davos, direkt von der Anklagebank in Düsseldorf aus – ganz business as usual.

In diesem Jahr sind zumindest die Konjunkturaussichten wieder besser. Die Börsenkurse steigen, allein in Deutschland hat der DAX gegenüber dem Vorjahr um mehr als 40 Prozent zugelegt. Das Wachstum in den USA wird auf über vier Prozent prognostiziert, in der Eurozone auf knapp zwei Prozent. Zehn Länder werden im Mai der Europäischen Union beitreten und dadurch den innereuropäischen Handel ankurbeln.

Unwägbarkeiten liegen dagegen weiterhin in der Lage im Irak, den Terrorwarnungen und im immer schwächer werdenden Dollarkurs. Unklar ist auch, wie die Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation weitergehen. Im letzten Jahr wurde das für September geplante WTO-Ministertreffen noch als eines der Highlights des Jahres hochgehalten – zwölf Monate später blicken die Davos-Gäste mit ungutem Gefühl zurück. Das Treffen in Cancún ist gescheitert, die Verhandlungen stocken, keiner glaubt mehr so recht, dass die Handelsrunde wie geplant bis Ende 2004 abgeschlossen wird.

Wie üblich werden dies – und nicht die eher dröge offizielle Agenda – die Themen sein, die in Davos die Flurgespräche dominieren. So hofft man von deutscher Seite, den einen oder anderen Amerikaner abzupassen – und vielleicht doch noch mal ganz entspannt über Aufträge beim Wiederaufbau im Irak zu reden. KATHARINA KOUFEN