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: Die Langzeitarbeitslosen werden abgeschafft – theoretisch jedenfalls

Florian Gerster, der Chef der Arbeitsämter, hat gestern einen interessanten Satz gesagt, als er die neuesten Arbeitsmarktdaten vorstellte: „Wir vertreten die Interessen der Beitragszahler.“ Das macht klar, wer nicht gemeint ist: die Langzeitarbeitslosen. Viele von ihnen haben noch nie Beiträge gezahlt, bei anderen ist es verdammt lange her. Auch gestern gab Gerster wieder die Losung aus, dass sich seine Vermittler zunächst auf die Menschen konzentrieren sollen, die schnell einen Job finden. Das sind nun einmal die Kurzzeitarbeitslosen – wie schon der Name sagt. Stattdessen ist Effizienz der Vermittlung angestrebt.

Das Arbeitsamt macht auf Profitcenter; unrentable Bereiche werden abgestoßen und Kunden neu definiert. Das ist nicht ohne bittere Ironie: Indem die Arbeitsämter auf das gleiche Kriterium setzen wie die Unternehmen, eben Effizienz, werden sie den Firmen zum Verwechseln ähnlich. Denn auch die Betriebe fürchten Langzeitarbeitslose, halten sie generell nicht für leistungsfähig. Genau deswegen bleiben diese Menschen ja chancenlos. Und nun übernehmen die Arbeitsämter die Firmenlogik, statt sie zu durchbrechen.

Gerster ist tatsächlich überzeugt von seinem absurden Effizienzkriterium – und insofern ist es leicht, ihn zum Buhmann zu machen. Aber eigentlich muss man ihm seinen neoliberalen Glauben gönnen, denn er hätte keine Alternative. Die Bundesregierung hat nun einmal beschlossen, den Arbeitsämtern weniger Geld zu überweisen, obwohl mehr Menschen keinen Job haben. So will es die neue Logik der Haushaltspolitik. Denn auch der „schlanke“ Staat ist auf dem Weg zum effizienten Profitcenter. Die Steuern sollen sinken, und nur wer Steuern zahlt, soll was davon haben.

Bleibt nur noch die Frage, was mit jenen Menschen wird, die nicht zu den diversen Profitcentern gehören. Die keine Arbeit haben und deswegen keine Steuern oder Beiträge sparen können. Die erstaunliche Antwort von Kanzler Schröder wird am nächsten Freitag lauten: Sie profitieren dadurch, dass sie nicht profitieren! In seiner so fulminant angekündigten Regierungserklärung wird er den Langzeitarbeitslosen erklären, dass man die Arbeitslosenhilfe getrost kürzen kann. Denn sie würden ja jetzt nicht nur gefordert, sondern auch „gefördert“. Der Beweis? Die Arbeitsämter seien doch neuerdings so effizient! Die Logik der Profitcenter ist eben unschlagbar logisch. ULRIKE HERRMANN

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