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: Nichts als Fassade

Es fällt im Moment etwas schwer, der Union zu folgen. Will sie nun ihr „radikales Steuerkonzept“ umsetzen, wie es noch vor einer Woche sicher schien? Oder kommt eine „schnelle Nettoentlastung“ angesichts der Kassenlage „zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht in Frage“ (Merz am Donnerstag)? Macht gar der Bundeskanzler „einen großen Entwurf“ der Union unmöglich (Merkel gestern)?

Wer will nach dem Hin und Her der vergangenen drei Tage noch verstehen, ob die Union nun in diesem Jahr für ihre Steuerreform kämpfen will oder nicht. Drei Tage, in denen man die Äußerungen von Unionsseite nicht nur mit dem Politiker, sondern auch mit dem Wochentag kennzeichnen muss, um sie nachvollziehen zu können: Erst erweckt Merz, dann Merkel den Eindruck, dass sie nicht mehr an die Finanzierbarkeit ihrer Reform glauben, dann attackieren Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers den Rückzieher der Parteichefin. Prompt rudert Merkel zurück.

KOMMENTARvon MATTHIAS URBACH

Einerseits illustriert das Chaos, wie angefochten Angela Merkel noch immer in ihrer Position ist. Zum anderen zeigt es, wie lächerlich das angeblich so radikale Konzept von Merz tatsächlich ist. Es handelt sich bloß um zehn grobe Leitsätze, die er präsentiert hat. Nichts als Fassade.

Seit ein paar Tagen behauptet Merz, stets nur von fünf bis zehn Milliarden Euro Entlastung gesprochen zu haben. Das ist leider falsch. Zwar sprach er anfangs tatsächlich von dieser Summe. Zwischendurch redete aber auch er von 24 Milliarden Euro Steuerausfall, dann von 15 Milliarden.

Ihr Konzept zu konkretisieren, weigert sich die Union standhaft. Rot-Grün solle dagegen ein Gesetz vorlegen. Das ist schön ausgedacht, denn man muss, um das Merz-Konzept finanzieren zu können, fast alle Steuervergünstigungen streichen und im Haushalt drastisch kürzen.

Solange es im Herbst nur darum ging, die SPD vor sich her zu treiben und das Vorziehen der Steuerreform als Lappalie erscheinen zu lassen, reichte das. Doch jetzt, wo es konkret wird, kann die Union die glänzende Fassade nicht mehr aufrechthalten. Unter ihren Trümmern liegt ihre Glaubwürdigkeit als Reformkraft – und vielleicht sogar die Karriere von Angela Merkel.

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