Jungs vergessen Mädchen

Die Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen kritisieren das Dohnanyi-Konzept. Ihrer Meinung nach fehlen „gleichstellungspolitische Erwägungen“, obwohl diese längst EU-Standard sind

von KAIJA KUTTER

In Hamburg machen mehr Mädchen als Jungs Abitur. Doch wird das Hochschul-Strukturkonzept von Klaus von Dohnanyi umgesetzt, „werden wir zukünftig Studienangebote haben, die nicht mehrheitlich von Frauen nachgefragt werden“, kritisiert die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Christiane Prochnow-Zahir. In einer gemeinsamen Stellungnahme hat die „Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten“ (LaKoG) der Hamburger Hochschulen die Empfehlungen Dohnanyis scharf kritisiert. Insbesondere sei es „befremdlich“ das „gleichstellungspolitische Erwägungen“ fehlen, obwohl Hamburg mit der Reform bundesweit „Vorreiter“ sein wolle.

Hauptkritikpunkt der LaKoG: bestehende EU-Richtlinien zum Gender-Mainstreaming wurden nicht bedacht. Laut Amsterdamer Vertrag von 1999 muss nämlich jede Strukturreform daraufhin geprüft werden, welche Auswirkungen sie für Männer und Frauen hat. Doch das haben Dohnanyi und dessen Auftraggeber Senator Jörg Dräger (parteilos) vergessen. Entgegen der üblichen Praxis unternahmen die Experten der Kommission (10 Männer, zwei Frauen) keine „geschlechtsspezifische Analyse“ des Datenmaterials.

Dies müsse aber bei der Abschätzung des künftigen Bedarfs an Studienplätzen geschehen. Es wäre zu prüfen, ob der Abbau an Sozial- und Geisteswissenschaften nicht zu einem „überproportionalen Rückgang von Studentinnen in Hamburg führen wird“, schreiben die Gleichstellungsbeauftragten Prochnow-Zahir, Gabiele Löschper (Uni), Bärbel Borries-Pusback (HWP), Krista Warnke (Musikhochschule), Ingrid Breckner (TU-Harburg) und Ute Janssen (Kunsthochschule) in ihrer Stellungnahme an den Wissenschaftssenator.

Am Fachbereich Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft sind beispielsweise drei Viertel der Studierenden Frauen. Auch müssten Naturwissenschaften und Ingenieursstudiengänge für Frauen attraktiver werden, wenn der Senat diese ausbaue.

Die Dohnanyi-Kommission empfiehlt ein flächendeckendes Bachelor-Master-Abschluss-System. Hier sieht die LaKoG zwar eine Chance der besseren Vereinbarkeit von Familie und Qualifizierung, aber ebenso die Gefahr einer „Ausgrenzung von qualifizierten Absolventinnen aus der wissenschaftlichen Laufbahn“. Prochnow-Zahir: „Es darf nicht heißen, das Grundstudium für die Frauen, die wissenschaftliche Spezialisierung für die Männer.“ Wenn beispielsweise Berufspraxis Voraussetzung für den Master sei, könne dies Frauen in der Familiengründungsphase benachteiligen. Generell müsste Hamburg ein Konzept zur besseren Vereinbarkeit von „Studium, Lehre und Forschung“ mit Familienpflichten auflegen. Sei dies doch ein Hindernis, Spitzenforscherinnen aus dem Ausland zu gewinnen.

Die Beauftragten fordern „Geschlechtergleichstellung“ zur „Querschnittspriorität“ der Reform zu machen. Dazu gehöre auch, Studiengänge im Humandienstleistungsbereich – zum Beispiel Ökotrophologie – für junge Männer attraktiver zu machen. Einer der „gravierenden Mängel“ des Hochschulwesens in Hamburg sei die immer noch viel zu geringe Frauenrepräsentanz beim wissenschaftlichen Personal (14 Prozent Professorinnen an der Universität). Gelänge es, diese zu steigern, könnten Leistungspotenziale gehoben werden, die zur „Exzellenzbildung und Zukunftsfähigkeit der Hochschulen“ wesentlich beitragen, schreibt die LaKoG in Anlehnung an das von Dohnanyi genutzte Vokabular. Auch soll die Steigerung der Frauenquote bei Absolventinnen belohnt und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses „geschlechtergerecht“ ausgestaltet werden. Der hochschulübergreifende Studiengang „Gender Studies“ soll zudem ausgebaut werden, da er eine „bundesweit einmalige Exzellenz“ darstelle.

Der Dohnanyi-Bericht wurde am 30. Januar veröffentlicht, Stellungnahmen können bis zum 15. April eingereicht werden. Bis dahin sammelt die Wissenschaftsbehörde diese nur ein, nimmt aber offiziell keine Stellung, wie Sprecherin Sabine Neumann erklärt.

Bereits Anfang April wird das Hochschulmodernisierungsgesetz verabschiedet, das externe Hochschulräte vorsieht. Die LaKoG möchte, dass die Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten in den neuen Strukturen gestärkt werden. Gegenwärtig haben sie Rede- und Antragsrecht in den Hochschulsenaten. Doch die dürfen künftig über Strukturfragen wie den Abbau von klassischen Frauenstudiengängen nicht mehr entscheiden.