Ein Rüffel für die Polizei

Nach vier Jahren haben zwei Punker in ihrem Rechtsstreit mit der Polizei Recht bekommen: Die „Ingewahrsamnahme“ wegen ihres Punker-Outfits war rechtswidrig. Nur konkrete Vorwürfe könnten Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht rechtfertigen

taz ■ „Reclaim your street“ war das Motto, unter dem Ende April 1999 am Sielwall ein Punk-Konzert stattfand. Bremens dienstälteste Punkband A.S.E. half – im Rahmen der bremenweiten Aktionswoche city.crime.control – den öffentlichen Raum zu besetzen. Um Mitternacht flogen Dosen und Steine am Sielwall-Eck, für 64 Punks endete die Nacht in einer Polizei-Unterkunft, die in einem Fall bis 13 Uhr des folgenden Tages andauerte.

Vier Jahre danach hat nun das Hanseatische Oberlandesgericht festgestellt: Da wurden Menschen zu Unrecht von der Polizei abgeführt und über Stunden eingesperrt. Demnächst wird über „Schmerzensgeld“-Ansprüche zu verhandeln sein – für die meisten, die keinen Rechtsanwalt gegen die Polizei engagiert hatten, sind die Ansprüche allerdings verjährt. Über drei Instanzen musste der Bremer Anwalt Sven Sommerfeldt bis vor das Oberste Bremer Zivilgericht gehen, um das Recht für seine beiden Mandanten durchzufechten.

Der Amtsrichter hatte im Juni 2000 noch volles Verständnis für die Polizei gehabt: In der Nacht war es wirklich zu heftiger Randale am Sielwall-Eck gekommen. Die Polizei sei berechtigt gewesen, zur Verhinderung weiterer Straftaten auch Personen „in Gewahrsam“ zu nehmen. Dass dem einzelnen Betroffenen „angeblich kein konkretes Verhalten zugerechnet werden kann, ist für die Zuordnung als Störer ohne Belang“, formulierte der Richter. Und da so viele „Störer“ eingesperrt waren, sei es auch unmöglich gewesen, eine richterliche Entscheidung über die Fortdauer der „Ingewahrsamnahme“ herbeizuführen.

Das Landgericht sah zwei Jahre später den Fall dann ganz anders. Die Polizei behaupte pauschal, der Mann habe sich „inmitten der Störer“ befunden, festgenommen worden sei er aber offenbar in einer Gaststätte in der Nähe des Sielwalls. Auch nach dem Bericht des Polizeibeamten seien in der Gaststätte „Eisen“ alle die Personen einkassiert worden, die dem äußeren Anschein nach der autonomen oder der Punker-Szene zuzurechnen seien. Das reiche aber nicht aus, urteilte das Landgericht, wenn es um die Abwägung mit dem „Gewicht des Freiheitsgrundrechtes“ gehe. Denn die getroffene Auswahl sei „mehr oder weniger zufällig“ erfolgt. Die Polizei hätte „weitere Anhaltspunkte“ liefern müssen, warum gerade dieser Betroffene in Gewahrsam genommen werden musste – der Polizist, der die Festnahme angeordnet hat, war gar nicht an der Kreuzung gewesen.

In einer wütenden Beschwerde hat die Bremer Polizei gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt. Die vom Landgericht vertretene Auffassung über die Abwägung von polizeilicher Gefahrenabwehr und Freiheitsrechten „verengt den Handlungsspielraum der Polizei in unvertretbarer Weise“ heißt es da. Neue Erkenntnisse, was denn der Mandant des Rechtsanwaltes Sommerfeldt gemacht haben soll, lieferte die Beschwerde nicht.

So lehnte das Hanseatische Oberlandesgericht nun (AZ.: 1 W 44/2002) die Beschwerde ab. „Mangels Darlegung ausreichender, konkreter Hinweise auf eine Beteiligung des Betroffenen an den Vorkommnissen“ sei die Ingewahrsamnahme „nicht gerechtfertigt“ gewesen. Und man könne dem Landgericht auch nicht vorwerfen, dass es eine „Beweisaufnahme als nicht sachdienlich“ abgelehnt habe – „angesichts des pauschalen Vorbringens der Polizeibehörde“ seien „Ermittlungsansätze nicht erkennbar“ gewesen. kawe