Karpfen in der Pelle

Wenn einer Region mehr Fisch als Fleisch ins Netz geht, kommen neue Gerichte zustande. Zum Beispiel die Karpfenbratwurst. Der Wirt vom Hotel zur Krone in Lindow hat sie erfunden

von CHRISTINE BERGER

Der Name macht nicht gerade Appetit: Karpfenbratwurst. Da hat sich einer einen Scherz erlaubt, denkt der Gast, der die Speisekarte im Hotel zur Krone in Lindow betrachtet. So wie in manchen Küstenregionen für Bratwurst vom echten Deichschwein geworben wird. Vielleicht eine Wurst, die der fischreichen Region gewidmet ist? „Nein, da ist Karpfen drin“, verteidigt Andreas Rhode, der Besitzer des Gasthofs, seine Wurst. „Außerdem Hecht und Krabben.“ Wir wagen einen Versuch und bestellen die wohl exotischste Kreation aus dem Ruppiner Land, nördlich von Berlin, dazu Sauerkraut und Kartoffeln. Während wir warten, erzählt uns Rhode, wie er auf den Karpfen gekommen ist. „Eine Wurst mit Tradition“, wie er versichert, habe es doch auch in früheren Jahrhunderten Fischwürste gegeben. Angesichts der damaligen Mischung, aus Mangel an Fleisch produziert, konnte von einer kulinarischen Spezialität allerdings keine Rede sein. Der gelernte Koch stöberte jahrelang in alten Kochbüchern, experimentierte in der Hotelküche und ließ seine Mitarbeiter zum Probieren antreten. 1997 endlich hatte er die richtige Mischung raus. Ein bisschen Hecht, ein paar Krabben und ganz viel Karpfen, Gewürze – fertig war die Wurst im Schweinedarm. Fischblasen hatten sich als ungeeignet erwiesen.

Beim alljährlichen Sommerfest im Ort trug er dann die Würstchen erstmals unters Volk: Ein voller Erfolg. „Der mit der Rindswurst guckte in die Röhre“, weiß Rhode heute noch. Vorher allerdings hatte er ein gutes Stück Überzeugungsarbeit leisten müssen, um den Dorffleischer auf seine Seite zu ziehen. „Raus mit dem Fisch aus meiner Bude!“, hatte der anfangs noch empört gemeint, als Rhode mit seiner Karpfenmischung vor der Tür stand. Mittlerweile sind die zwei Wurstfachmänner jedoch ein eingespieltes Team. Rund 2.000 Würste pro Monat produzieren sie.

Zwei davon werden schließlich am Tisch serviert. Auf den ersten Blick ein appetitliches Arrangement. Kein Fischauge, keine Schuppen, stattdessen ordentliche Kruste. Beim ersten Piksen mit der Gabel erstaunlich weich, dann der Biss ins Unbekannte. Der Fischgeschmack ist nicht zu leugnen, bleibt aber im Rahmen und macht Lust auf mehr. Schnell ist das Würstchen verputzt, der Koch versteht auch bei den Beilagen sein Handwerk. Für den nächsten Grillabend am Kamin nehmen wir gleich ein halbes Dutzend mit.

In der nahe gelegenen Großstadt weiß man bislang wenig von der Wurst aus Ruppiner Fischgründen. Rhode beliefert nur das Lindower Umland. Aber vielleicht kommt demnächst ja auch mal ein Berliner Imbiss auf die Idee, die schweingeprägte Currywurst mit einer Karpfenvariante zu bereichern. Wo doch Gerichte aus der Region gerade im Trend liegen.

„Hotel zur Krone“, Straße des Friedens 11, 16835 Lindow, Tel. (03 39 33) 6 11 61