Herten versucht schnelles Abi

Das einzige Gymnasium in Herten soll bald das Abitur in zwölf Jahren anbieten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisieren das Vorhaben

Herten taz ■ Das Hertener Stadtgymnasium soll im neuen Schuljahr ein wenig elitär werden. Dafür planen die Stadt und die Schulleitung, den Schülern die Möglichkeit zum Abitur nach nur zwölf Jahren zu bieten. Damit das Turbo-Abitur klappt, sollen ab der sechsten Klasse die Schüler nach ihren unterschiedlichen Leistungen getrennt werden.

Das kritisiert der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in der Region Emscher-Lippe. Denn das Einrichten einer „Begabten-Klasse“ werde auf dem Rücken derer geschehen, die sich für den 13 jährigen Weg zur Hochschulreife entschieden hätten, sagt Josef Hülsdünker, der Regionsvorsitzende des DGB Emscher-Lippe. Zudem seien die Hertener Pädagogen auf einem Holzweg, denn die Vorstellung, dass viele gute Schüler zusammen besser lernten, sei nach den Ergebnissen der PISA Studie längst überholt.

Schließlich habe PISA gezeigt, dass die Bildung in Deutschland gerade durch die frühe Selektion leide. „Was hier geplant wird, ist rückwärts gewandte Bildungspolitik“, sagt Hülsdünker. Die Bildungsdiskussion am nördlichen Rand des Ruhrgebiets solle lieber in eine andere Richtung gehen, da die Probleme eher bei keinen oder weniger qualifizierten Schulabschlüssen lägen.

Diese Meinung vertritt auch der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen, Jürgen Schmitter: „Eine Homogenisierung ist hochgradig ideologisch“, sagt Schmitter. Zudem führe das zu einer weiteren Abschottung der Gymnasien. „Damit gefährdet man die Durchlässigkeit des Bildungssystem“, sagt Schmitter.

Das nördliche Ruhrgebiet leidet nach einer Studie der Projekt Ruhr ganz besonders unter Bildungsnachteilen. Die Studie stellt fest, dass im nördlichen Ruhrgebiet zu viele Schüler mit gar keinem oder dem Hauptschulabschluss die Schule beendeten und zu wenige mit dem Abitur abschlössen. Zudem würden Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt.

Daher fordert Hülsdünker, gerade das „lernfernere Milieu sollte einen besseren Zugang zur Bildung bekommen.“ Das Bildungsniveau in der gesamten Region müsse verbessert werden. „Konservative Bildungsideologien helfen da nicht.“ Eher solle das Bildungskapital in Arbeitnehmerhand übergehen, dann könne auch erwartet werden, dass die Übergangsquoten von der zehnten Klasse in Richtung Gymnasium besser seien.

Die Partei der Arbeitnehmer in Herten freut sich hingegen auf das Turbo-Abi: „Frühe Förderung kann ja durchaus sinnvoll sein“, sagt Ulrich Paetzel, schulpolischer Sprecher der Hertener SPD. Er wolle aber nicht anfangen, so eine dämliche Diskussion wie über die Elite-Unis zu führen, schränkt Paetzel ein. In Herten würden bildungspolitische Entscheidungen immer mit allen abgesprochen und für die Aufnahme der Abianwärter von Haupt- und Realschulen sei ja auch die Gesamtschule geeignet. Daher sei das Abitur nach zwölf Jahren ein möglicher und richtiger Schritt des Gymnasiums, das seinen guten Ruf in Herten daher habe, dass es als Gymnasium gelte, das Leistung fördere. Dass das so bleibe, bezweifelt Schmitter, denn innerhalb von 12 Jahren würde die Lehre nur quantitativ angehäuft, aber nicht verbessert, sagt er. ELMAR KOK