BERLUSCONI UND SCHRÖDER HABEN SICH NICHTS MEHR ZU SAGEN
: Kaffeekränzchen bei Onkel Gerd

Jeder kennt sie, die turnusgemäß fälligen Pflichtbesuche bei Onkel oder Tanten. Ein Tässchen Kaffee, ein bisschen Geplauder, vor allem aber viel verlegenes Schweigen – da wird selbst ein kurzer Nachmittag quälend lang. Ungefähr so dürften sich Schröder und Berlusconi bei ihrem Bremer Gipfel gefühlt haben; zu sagen nämlich hatten sie sich nichts. In weiser Voraussicht hatten sie das Treffen drastisch zusammengekürzt. Nur ausfallen lassen konnten sie es nicht, auch das ist so wie beim familiären Kaffeekränzchen. Die deutsch-italienischen Konsultationen stehen nämlich einmal pro Jahr auf dem Programm, auch wenn es nichts zu konsultieren gibt. Schließlich lesen die beiden Herren Zeitung und wissen, dass sie im diplomatischen Gezerre um Irakkrise und -krieg vollkommen über Kreuz liegen.

Wenigstens in diesem Punkt waren die beiden Regierungschefs grundehrlich. Es gab kein Rumgerede über „kleinste gemeinsame Nenner“ auf Basis der EU-Beschlüsse, sondern Berlusconis Auskunft, über den Irak sei gleich gar nicht gesprochen worden, im Wissen, dass keiner den anderen überzeugen werde. Weniger ehrlich wohl war Schröders Mitteilung, dass ansonsten die deutsch-italienischen Beziehungen hervorragend seien, so als wäre Berlusconis Schulterschluss mit den USA in der Irakkrise bloß der isolierte Ausrutscher eines ansonsten überzeugten Europäers. Sicher, auch Italien will den schnellen Abschluss der Arbeiten des Europäischen Verfassungskonvents, aber bloß, weil der PR-Profi Berlusconi scharf ist auf den Event der Vertragsunterzeichnung – in Rom im zweiten Halbjahr 2003.

Ansonsten aber steht die italienische Rechtsregierung dem weiteren Zusammenwachsen Europas mit radikaler Skepsis gegenüber: Die Schaffung der „atlantischen“ Achse zusammen mit den beiden anderen Europaskeptikern Blair und Aznar ist eben nicht nur Außen-, sondern auch europäische Innenpolitik. Schröder sollte sich deshalb auch für den Gipfel mit Berlusconi im nächsten Jahr keine Illusionen machen, selbst wenn der Irakkonflikt dann überstanden sein sollte: Die beiden werden sich etwa so viel zu sagen haben wie vorgestern in Bremen. MICHAEL BRAUN