Die gespaltene Insel

In Malta sind die Nationalkonservativen für einen EU-Beitritt, Sozialisten und Gewerkschaften dagegen

von HEIKE HAARHOFF

Malta macht den Anfang. Als erster von zehn Staaten, die im Mai 2004 der Europäischen Union beitreten sollen, fragt die Mittelmeerinsel heute ihr Volk: Wollt ihr oder wollt ihr nicht? Der Ausgang des Referendums, zu dem 300.000 wahlberechtige Malteser aufgerufen sind, wird in der EU mit Spannung erwartet, handelt es sich doch ganz und gar nicht um einen Selbstgänger: Nur 52 Prozent befürworten laut den jüngsten Umfrageergebnissen den Beitritt. „Wir rechnen mit einer Zustimmung, aber sie dürfte ziemlich knapp sein“, sagt das „Malta EU Information Centre“ in der Hauptstadt La Valletta.

Für Malta, das traditionell in zwei Lager gespalten ist, das der derzeit regierenden konservativen Nationalpartei sowie das der sozialistischen Arbeiterpartei, wäre ein solch knapper Ausgang nichts Ungewöhnliches; die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Seite wird von Generation zu Generation vererbt. Doch könne das Ergebnis das Abstimmungsverhalten in EU-Beitrittsländern beeinflussen, denen eine Volksabstimmung noch bevorstehe, sagt Yves Mény vom Institut für Europastudien an der Universität Florenz. „Ein negatives Ergebnis könnte einen Schneeballeffekt haben.“

Die maltesische Regierung unter dem proeuropäischen Premierminister Eddie Fenech Adami, 69, hat derzeit andere Sorgen. Zwar hat das Referendum für sie keinen verbindlichen, sondern nur einen beratenden Charakter. Sollte die Mehrheit der Bevölkerung aber mit Nein stimmen, wäre das ein klares Misstrauensvotum gegen die seit 1998 regierende Nationalpartei. Baldige Neuwahlen wären dann recht wahrscheinlich, deutete ein Berater des maltesischen Außenministers gegenüber der taz an.

Ohnehin muss Malta turnusgemäß noch vor dem EU-Beitritt im Mai 2004 Parlamentswahlen abhalten; ein konkreter Termin allerdings steht noch nicht fest. Für Michael Falzon, Sekretär für außenpolitische Beziehungen der maltesischen Arbeiterpartei und rechte Hand von Oppositionschef Alfred Sant, steht deswegen schon jetzt fest: „Wir messen diesem Referendum der Regierung kaum Bedeutung zu. Was am Ende zählen wird, ist der Ausgang der Parlamentswahlen.“

Für den Fall, dass die Arbeiterpartei diese gewinnt, droht Parteichef Sant bereits eine völlige Umkehrung der bisherigen EU-Politik an: Statt eines EU-Beitritts werde er dann allenfalls eine Partnerschaft in Form eines Freihandelsabkommens mit der EU akzeptieren. Sant, der mit seiner Position bei den europäischen Sozialisten auf Unverständnis stößt, fürchtet um die Neutralität Maltas und erwartet in der Folge eines EU-Beitritts steigende Arbeitslosenzahlen, Lebensmittel- und Immobilienpreise sowie die Degradierung des Inselstaats zur „Provinz“. Auch die den Sozialisten nahe stehende Allgemeine Arbeiter-Union lehnt als größte Gewerkschaft des Landes die EU-Mitgliedschaft aus diesen Gründen ab.

Tatsächlich hat die Regierung insgesamt 77 Zugeständnisse von der EU erreicht: So dürfen Jäger auch in Zukunft im Frühjahr auf Vogeljagd gehen, bleibt die Innenpolitik gegen Interventionen aus Brüssel weitgehend geschützt und wird die Landessprache Maltesisch trotz der geringen Zahl der Muttersprachler gleichberechtigte Amtssprache der Union. Auch das geltende Abtreibungsverbot in dem katholischen Malta bleibt bestehen.

Die EU-Mitgliedschaft sei von entscheidender Bedeutung für das wirtschaftliche Wachstum der Insel angesichts der zunehmenden Globalisierung, hat Premier Adami in den vergangenen Wochen bei Auftritten, auf Plakaten und im Internet immer wieder betont. Außerdem habe die EU bereits Nettozuschüsse in Höhe von 194 Million Euro bis 2006 zugesagt. Dieses schöne Geld, so Adami, wäre im Falle eines Neins zum Beitritt verloren.