Opposition fordert Rücktritt Scharons

Eine Korruptionsaffäre in Israel bedroht auch den Regierungschef. Seine Partei diskutiert schon über die Nachfolge

JERUSALEM taz ■ Es ist nicht die erste Korruptionsaffäre für Israels Premierminister Ariel Scharon, doch Parteifreunde wie politische Gegner vermuten, dass diese ihm das Amt kosten werde. Gerade hatten sich die öffentlichen Wogen um die anrüchigen Gelder, die aus Südafrika kommend via Österreich die Konten der Familie Scharon erreichten, etwas gelegt, da begann gestern der Prozess gegen den Bauunternehmer David Appel. Ein Likud-Aktivist und einer von Scharons engeren Freunden, der sich nicht zum ersten Mal vor Gericht verantworten muss. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Scharon, dessen Sohn Gilad und Ehud Olmert, ehemals Bürgermeister von Jerusalem und heute Vize-Premierminister, in den späten 90er-Jahren bestochen zu haben.

Die Affäre, die in Israel allgemein als „die griechische Insel“ gehandelt wird, begann 1998, als der Bauunternehmer Appel die Idee der Entwicklung von Touristenzentren unter anderem in Griechenland verfolgte. Laut Anklage habe er zu diesem Zweck Kontakte zu griechischen Politikern aufgenommen, sie mit israelischen Politikern bekannt gemacht und dadurch mit beeinflusst, die von ihm anvisierten Grundstücke zu Bauland zu machen. Appel hätte die Politiker zudem nach Israel eingeladen und ihre Reisen zumindest zum Teil mit Hilfe des Außenministeriums, das zur fraglichen Zeit Scharon unterstand, finanziert. Olmert habe in dieser Zeit ein Abendessen für den Bürgermeister von Athen ausgerichtet, an dem auch Scharon und sein Sohn teilnahmen.

Appel soll sowohl Olmert als auch Scharon seine Unterstützung für die innerparteilichen Wahlen Anfang 1999 versprochen haben. Zeitgleich engagierte er Gilad Scharon für das Projekt „griechische Insel“ – allerdings ohne klare Jobdefinition und wohl wissend, dass er keinerlei berufliche Erfahrungen mitbrachte. Gilad verdiente, laut Anklageschrift, monatlich 10.000 US-Dollar und bekam die schriftliche Zusage weiterer 1,5 Mio. Dollar bei Erhalt der Baugenehmigungen. Gilad blieb auch nach Einstellung des Projekts weiter im Dienst Appels für „verschiedene Aufgaben“. Dabei ging es zuallererst um ein neues Projekt in der Stadt Lod. Appel hatte Grundstücke in einem angrenzenden Moschaw gekauft und war mit der Bitte, sich für eine Eingemeindung der Ländereien einzusetzen, an Ariel Scharon herangetreten, der dieser Bitte offenbar auch nachkam. Die Familie erreichten daraufhin weitere „Spenden“ in Höhe von rund einer halben Million Euro.

Vorläufig wurde weder gegen Scharon noch gegen Olmert Anklage erhoben. Doch sobald das geschieht, meint Justizminister Tommi Lapid, „sollten die beiden die Konsequenzen daraus ziehen“. So lange will Oppositionschef Schimon Peres jedoch nicht warten. Er rief die Likud-Fraktion zu einem Misstrauensvotum in dieser Frage auf. Jossi Sarid (Meretz) ist hingegen der Meinung, dass der Rücktritt von Scharon selbst kommen müsse. Sollte sich seine Unschuld herausstellen, könne er „erneut sein Amt antreten“. Unter den gegebenen Umständen fürchtet sich Sarid vor „militärischen Abenteuern“, die der Regierungschef anstreben könnte, um von dem schweren Verdacht gegen ihn abzulenken. „Unter Druck ist Scharon noch gefährlicher“, meinte Sarid, der auch einen „kleinen Krieg“ für möglich hält.

Unterdessen wird im Likud schon die mögliche Nachfolge diskutiert. Während sich Olmert aus erklärlichen Gründen die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden nicht gerade jetzt wünscht, drängt Außenminister Silvan Schalom auf eine schnelle Klärung der Verhältnisse. Verteidigungsminister Schaul Mofas hingegen hält zu seinem Chef und glaubt, dass Scharon bis zum Oktober 2007 durchhalten wird. SUSANNE KNAUL