Hammerklavier!

Unspielbares und Ertrunkenes: Der Pianist Nikolai Demidenko mit Beethoven und Scarlatti in der „Glocke“

Jede Wiedergabe dieses verrückten Werkes ist eine Seltenheit und ein Ereignis

„Da haben Sie eine Sonate, die den Pianisten zu schaffen machen wird.“ So präsentierte Ludvig van Beethoven seine „Große Sonate für das Hammer-Klavier op. 106 in B-Dur“ (1817/18).

„Groß“ sei überhaupt kein Ausdruck, das Werk gehe „über alles hinaus, was auf dem Gebiet der Sonaten-Komposition jemals gewagt und bewältigt wurde“, fügte – reichlich 150 Jahre später – der Pianist Alfred Brendel hinzu.

Es steht fest, dass noch heute jede Wiedergabe dieses verrückten Werkes eine Seltenheit und ein Ereignis ist. Und: Dass sie aber immer nur Annäherung sein kann, die hörbar machen muss, dass die Sonate eigentlich unspielbar ist.

Nun also gespielt in der Reihe „Pianio-Visionen“ vom russischen Pianisten Nikolai Demidenko. Der 48-Jährige erreichte viele Dimensionen – selbstredend mit pianistischer Perfektion und dramaturgischer Überlegenheit. Eine Überlegenheit allerdings, die die ganze existentielle Unsicherheit Beethovens gewaltig herausschleudert. Atemberaubend waren Demidenkos Tempi, seine spontan wirkende Wildheit. Der Gang in die monologische Einsamkeit und eine sezierende Klarheit waren weitere Markenzeichen dieser mitreißenden Wiedergabe.

Demidenko erreichte im (zwanzig Minuten langen) zweiten Satz Klangnuancen und Farbschattierungen, die ein wenig darüber hinwegtrösteten, dass für die Wiedergabe ein Beethoven’sches Hammerklavier das eindeutig passendere Instrument gewesen wäre.

Mit diesem Beethoven musste man zufrieden sein. Denn die einleitenden zwölf Sonaten von Domenico Scarlatti (gerne als „Barock-Rocker“ bezeichnet) nudelte Demidenko konturenlos ab, ertrank Stellen im Pedal, als wär es Debussy, und verdeckte durch ein Dauerlegato den ganzen aufgeregten Klangredecharakter dieser überraschungsvollen Musik.

Ute Schalz-Laurenze