„Dann ist das hier wie bei Ikea“

In manchen Stadtteilen fehlen fürs kommende Schuljahr jede Menge Hortplätze. Für berufstätige Eltern ist das häufig „eine Katastrophe“. Die Behörde sagt, es gebe keinen Rechtsanspruch. Selbst Erstklässler können nicht mit einem Platz rechnen

taz ■ Wenn Behörden mit den Schultern zucken könnten – hier würden sie es tun. Während der Kindergartenplatz bis 12 Uhr und oft darüber hinaus per Rechtsanspruch gesichert ist, fehlt ein solches Versprechen für die Betreuung von Schulkindern nach dem Unterricht. „Einen Rechtsanspruch gibt es nicht“, so die Sprecherin bei der Sozialbehörde, „so ist das nun mal“.

„Dann krieg ich eine Leck-mich-am-Arsch-Mentalität“, sagt auf der anderen Seite eine betroffene Mutter. Wie viele fürchtet sie, mit ihrem Kind zusammen am ersten Schultag in die Röhre zu gucken. Sollte sie zu denen gehören, die keinen Hortplatz für die Nachmittagsstunden bekommt, kann sie als alleinerziehende Mutter ihren Job an den Nagel hängen. „Ich müsste mich dann um eine Halbtagsarbeit kümmern und vermutlich ergänzende Sozialhilfe beantragen“, so die Mutter.

Der „Überhang“, wie es im Amtsdeutsch genannt wird, ist in diesem Jahr in den Stadtteilen Mitte/Östliche Vorstadt besonders groß. Vor einem Monat haben Eltern dort ihre Kinder zur Schule und auch zum Hort angemeldet. Jetzt, wo die Betreuungseinrichtungen einen ersten Überblick gewonnen haben, erhalten Eltern beunruhigende Briefe. Der Hort in der Friedensgemeinde nahe der Lessingschule rechnet in dem Brief mit „voraussichtlich 17 Absagen, die wir für unser Haus erteilen müssten“. „Es tut uns leid“, heißt es, „Ihnen dieses mangelhafte Versorgung schildern zu müssen“. So habe man vielleicht genug Zeit, „sich anderweitig zu orientieren oder zu organisieren“.

Die Nachbareinrichtungen haben jedoch ähnliche Probleme. In der Bismarckstraße rechnet man mit 15 Absagen, in der Bleicherstraße mit 16. Ähnlich sieht es in der Gleimstraße aus. Allein in diesen vier Horten kommt man so auf über 60 Kinder, die im neuen Schuljahr nicht im Hort betreut werden können. „Es ist dieses Jahr besonders drastisch, weil die geburtenstarken Jahrgänge jetzt im Hort ankommen“, erläutert die Leiterin des Betty-Gleim-Hauses in der Bismarckstraße, Gisela Finke.

„Der liegt an den städtischen Verordnungen“, ergänzt die Leiterin des Bleicherstraßen-Horts, Jutta Blume. Gesamtstädtisch liegt die von der Behörde vorgesehene Versorgung der Schulkinder mit Hortplätzen bei 17 Prozent – und im Viertel schon jetzt drei Prozent darüber. Neue Hortgruppen können, so die Sprecherin der Sozialbehörde, „unter den finanzpolitischen Umständen“ nicht gegründet werden.

Um wenigstens in den allernötigsten Fällen einen Platz anbieten zu können, hat die große Koalition im letzten Jahr ein Ortsgesetz verabschiedet, wonach das Alter der Kinder bei der Vergabe der Plätze eine herausragende Rolle spielen soll. Sprich: Die Erstklässler sollten auf jeden Fall genommen werden, die Viertklässler nach oben rausgedrängt werden. Jutta Blume sieht das Gesetz kritisch: „Wir brauchen im Hort eine gesunde Altersmischung.“ Sie könne nicht nur Erst- und Zweitklässler nehmen und die anderen im Regen stehen lassen. „Das ist ja sonst hier wie bei Ikea“, empört sich Blume. Also wird in ihrem Hort auch Erstklässlern eine Absage erteilt.

„Für viele Eltern spielt sich da eine Katastrophe ab“, so die jugendpolitische Sprecherin der Grünen, Anja Stahmann. „Die Behörde sagt zwar immer, das ruckelt sich zurecht, aber es ruckelt sich eben ins Private zurecht.“ So wäre es zum Beispiel bei der Rechtsanwaltsfachangestellten Kerstin Buchmann. Vor eineinhalb Jahren hat sie eine Ausbildung angefangen. Wenn ihr Sohn keinen Platz im Hort bekäme, müsste sie die Ausbildung abbrechen: „Meine Eltern sind zu alt, um das Kind zu hüten.“ hey