Jetzt wird Sparen gepredigt

Kardinal Sterzinsky lässt in den katholischen Messen per Hirtenbrief erstmals harte Einschnitte im Erzbistum ankündigen. Unternehmensberatung schlägt einen Ausverkauf bei den Immobilien vor

von STEFAN ALBERTI

Kardinal Georg Sterzinsky hat den Berliner Katholiken erstmals direkt harte Sanierung im hoch verschuldeten Bistum angekündigt. „Wir müssen fürchten, dass manche Institution und manche Einrichtung, die mit großem Engagement aufgebaut wurde, aufgegeben werden muss“, heißt es in einem Schreiben, das in den katholischen Kirchen statt der Predigt verlesen wurde. Ab heute will der Kardinal bei einem Treffen der deutschen Bischöfe die Finanzmisere schildern und um Hilfe bitten. Ein Sprecher sagte, Sterzinsky werde dort keinen konkreten Sanierungsplan des Bistums präsentieren: Der soll erst bis zum 1. Juli vorliegen. McKinsey-Berater empfehlen einen Ausverkauf von Kirchenimmobilien für 103 Millionen Euro.

Es geschah Samstag in der Vorabendmesse. Wie am Sonntag steht Sterzinskys Rundbriefzur Fastenzeit an, ein so genannter Hirtenbrief. Doch vor Worten zum drohenden Krieg im Irak widmet der Kardinal einige Sätze der Finanzmisere im eigenen Erzbistum, offenbar auch um dem Vorwurf zu entgegnen, er behandle das Thema nicht transparent genug. Er habe sich zu diesem Thema bereits an Kirchmitarbeiter und -gremien gewandt, ist zu hören – „in der Annahme, dass die Gemeinden über den Inhalt informiert werden“.

Wer zuvor Radio hörte, für den kamen die Hirtenworte gerade recht: Stunden vorher war über eine Spiegel-Vorausmeldung die Sanierungsempfehlung von McKinsey durchgesickert. Deren Berater waren seit Herbst die Bilanzen des Bistums durchgegangen, das 150 Millionen Euro Schulden aufgehäuft hat.

Bistumssprecher Andreas Herzig bestätigte der taz, dass die Unternehmensberatung den Verkauf aller Vermögenswerte des Erzbistums bis zum 1. Juli als „dringend erforderlich“ betrachtet. Dazu gehören die Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft Petruswerk und der Komplex der Katholischen Akademie. Auf der Kippe stehen auch Fachhochschule und die beiden Priesterseminare. Alles sei auf dem Prüfstand, die Entscheidung noch nicht gefallen, sagte Herzig. Fünf Arbeitsgruppen würden noch daran arbeiten. Klar scheint hingegen, dass das Bistum dem Vorschlag nicht folgen wird, die Immobilien bis zum 1. Juli abzustoßen. „Jetzt in Panik zu verkaufen, macht keinen Sinn“, sagte Herzig.

Bei McKinsey sieht man dem Vernehmen nach wenig Spielraum für das Bistum. Bereits Ende Januar hatte Sterzinsky per Pressemitteilung angekündigt, bis 2006 440 Stellen zu streichen und Immobilien verkaufen zu wollen. Das Bistum hat, inklusive der 2.800 Mitarbeiter des katholischen Wohlfahrtsverbandes Caritas, rund 6.000 Beschäftigte. Als Katholiken sind in Berlin offiziell rund 380.000 Menschen registriert. Doch lediglich jeder achte ist tatsächlich Kirchgänger: Pro Wochenende werden in den Gottesdiensten nach Bistumsangaben nur 48.000 Besucher gezählt.

Herzig hielt gegenüber der taz die Situation des Erzbistums mit der des Landes Berlin für vergleichbar. Wie dort gibt es wegen früherer Doppelstrukturen in Ost und West deutlich mehr Personal als im etwa gleich großen Bistum Hamburg. „Hätten wir Anfang der 90er in der Einheitseuphorie erklärt, 500 Leute rauszuwerfen, hätte man uns alle massakriert“, rechtfertigt Herzig.

Und Land wie Bistum sehen beide keine Chance auf eine Sanierung aus eigener Kraft und bitten um bundesweite Hilfe – das Land beim Bund und bei den Ländern, das Bistum bei anderen Bistümern, vor allem den reichsten wie der Erzdiözese Köln. Und so wie der Berliner Finanzsenator nur Chancen für Bundeshilfen sieht, „wenn das Land vorher seine Hausaufgaben macht“, so fordern auch die anderen Bistümer Vorleistungen.

Von der heute beginnenden Bischofskonferenz erwartet Sprecher Herzig eine Aussage der Diözesen, man werde Berlin helfen – allerdings unter den Augen eines Treuhänderausschusses für die Bistumsfinanzen. Die Finanzkrise hatte schon die Herbsttagung der Bischöfe beschäftigt. Zuletzt war Sterzinsky selbst unter Druck geraten, hatte aber einen Rücktritt abgelehnt.